Knast wegen 600 Euro

Manchmal wird aus einer erfolgreichen Verteidigung nach langer Zeit doch noch ein Misserfolg.

Vor vielen Jahren hat mich der Mandant mit seiner Verteidigung beauftragt. Es hat eine lange Zeit gedauert und viel Mühen gekostet, bis am Ende ein Urteil stand, mit dem er leben konnte.

Herausgekommen war eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Ich konnte außerdem erreichen, dass das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf die sonst übliche Einziehung eines Vermögensvorteils verzichtete, der sich ohnehin nur sehr schwer in Mark und Pfennig hätte umrechnen lassen.

Ganz ohne finanzielle Belastung wollte das Gericht den Mandanten aber auch nicht laufen lassen. Zur Bewährungsauflage wurde ihm gemacht, 3.000 Euro in Raten zu je 100 Euro an die Justizkasse zu zahlen. Auch das war akzeptabel und sollte nach Bekunden des Mandanten auch kein Problem darstellen.

Nach Ablauf der Bewährungszeit beauftragte mich der Mandant dann damit, den Erlass der Strafe zu beantragen, § 56g StGB.

Das ist keine große Sache und auch nur ein Textbaustein. Zunächst reagierte das Gericht nicht, deswegen habe ich drei Wochen später an den beantragten Straferlass erinnert.

Nun bekam ich Post vom Gericht – aber nicht den gewünschten Beschluss, sondern ein an den Mandanten gerichtetes Schreiben:

Da muss ich mich nicht wundern, dass der Straferlass bisher nicht erfolgt ist.

Ich würde mich nun ärgern, wenn das gute Ergebnis nun wegen der noch ausstehenden 600 Euro gedreht würde. Sollte der Mandant die Zahlung nicht leisten (und das Gericht die Ansicht verrteten, dass er sie leisten müsste und könnte), hätte das den Widerruf der Strafaussetzung zur Folge und der Mandant würde nach all den Jahren doch noch einfahren …

Das würde nicht nur den Mandanten ärgern, sondern in so einem Fall auch seinen Verteidiger enttäuschen. Mal schauen, ob man da noch etwas retten kann …

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Anrufer des Monats

Nicht selten haben Nachrichten, mit denen Anrufer sich an einen Strafverteidiger wenden, hohen Unterhaltungswert.

Guten Abend! Entschuldigen Sie die Störung. Mein Name ist [*.*] und ich bräuchte Ihren dringenden Rat, weil ich seit sieben Jahren, fünf Monaten und 16 Tagen ein Riesenproblem habe und ich weiß nicht mit wem. Und es geht aber um Langhaarige und es wäre sehr nett, wenn Sie sich zurückmelden würden unter der Rufnummer 123456789. Ich bedanke mich. Falls Sie sich vorm Rutschen nicht melden, wünsche ich Ihnen einen guten Rutsch. Vielen Dank!

Ich konnte der Dame nicht weiterhelfen, weil ich mich – aus Altersgründen – nicht mehr mit langen Haaren auskenne.

Wen darf ich empfehlen?

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Bild (CC0): Alexas_Fotos / via Pixabay

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Dauerwelle

Dauerwellen sind überlebenswichtig. Oder Shize auf das Leben, Hauptsache die Frisur sitzt.

Dieter Schütz  / pixelio.de

Leni ist stattliche 93 Jahre alt. Mit ihren altersbedingten Einschränkungen ist sie fit und lebt allein in ihrer top gepflegten Zweizimmerwohnung.

Wir telefonieren unregelmäßig, mal rufe ich an – meist nachmittags, mal erreicht Leni mich morgens früh um halb acht noch beim Wachwerden. Ein freundschaftliches Verhältnis, das sich nach dem Tod ihres Partner verfestigt hat.

Am Wochenende rief Leni mich an. Ihre Schwester Klara sei gestorben, kurz nach ihrem 89. Geburtstag.

Klara lebte sei einigen Jahren schon in einem Seniorenheim und zwar gern. Sie hatte dort alles, was sie brauchte und war zufrieden.

Jetzt hatte sich Klara mit Corona infiziert. Zwei Wochen war sie krank. Dann war sie tot.

Leni berichtete davon, dass das Personal des Seniorenheims es nicht so genau genommen haben soll mit den Masken. Klara habe ihr davon berichtet, dass die Mitarbeiter des Heims sehr oft ohne den Mund-Nase-Schutz herumliefen. Aber Klara habe sich nicht mehr durchsetzen können.

Wir haben noch eine ganze Weile miteinander gesprochen; gegen Ende des Telefonats war Leni nicht mehr ganz so traurig.

Als wir uns verabschieden wollten, frage Leni mich:

Carsten, sag mal, ist unter Deinen Mandanten nicht ein Frisör? Der mal heimlich zu mir kommen könnte, um mir die Dauerwelle zu machen? Ich seh‘ schrecklich aus.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Standpauke zum Thema „Lebensgefährliches Ansteckungsrisiko versus Frisurentrends der 1920er“ genau dort angekommen ist, wo sie ankommen sollte.

Und ich habe gelernt, dass zur Würde eines alten Menschen auch eine anständige Frisur gehört. Selbst dann, wenn nur noch Besuch vom Pflegedienst kommt, der beim Kochen, Aufräumen und Einkaufen hilft.

Mandate aus der Hölle

Das Ehepaar hat ein Problem. Im Kern geht es um die Gestaltung eines gemeinsam von mehreren Mietern genutzten Garten. Dazu wird ein Rechtsanwalt gebraucht.

Mit diesem Anschreiben kippt mir das Ehepaar 48 weitere Seiten mit der gesamten Vorkorrespondenz vor die Füße, damit ich mir die notwendigen Unterlagen selbst heraussuchen kann.

Ich denke, dass einige Menschen – mutmaßlich bedingt durch diverse Werktagsvormittagsgerichtsshows des Prekariatsfernsehens – völlige falsche Vorstellungen von dem Beruf eines Strafverteidigers haben. Und auch von meinen Stundensätzen.

Die Probleme anderer Menschen ernst zu nehmen, gehört zu meinen Job. Nicht dazu gehört die Akzeptanz von Rücksichtslosigkeit.