Nicht mein Richter!

Urteile und Beschlüsse sind Entscheidungen des Gerichts. Nicht die eines Richters. Er ist „nur“ der Verkünder der gerichtliche Entscheidung.

Das ist grundsätzlich auch eine gute Sache. Weg von der subjektiv-persönlichen Ebene und hin zu einer objektiv-sachlichen Distanz.

Nun gibt es aber ein paar Entscheidungen, die man vielleicht nicht dem Gericht zuordnen möchte.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es beispielsweise der Direktorin des Amtsgerichts Weimar Carolina Brauhardt oder der Richterin Inez Gloski, Mediensprecherin beim Amtsgericht Weimar, nicht gefallen dürfte, mit dem Richter in einen Topf geworfen zu werden, der als Familienrichter eine Entscheidung (Beschl. v. 08.04.2021, Az. 9 F 148/21) zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen hat, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nun überhaupt nichts mehr gemein hat.

Wenn ich lese, dass das „AG Weimar“ diese unfassbare einstweilige Anordnung erlassen hat, denke ich, dass es in diesem Fall besser für die Reputation dieses kleinen, schnuckeligen Amtsgerichts in Thüringen gewesen wäre, wenn hier der Name dieses unsäglichen Schwurblers in Robe genannt würde und nicht der des Gerichts.

Es gibt durchaus gewichtige Stimmen, insbesondere aus der Richterschaft, die – für den Kundigen gut erkennbar – darüber nachdenken, ob dieser Richter am Amtsgericht Weimar sich eines Verbrechens strafbar gemacht haben könnte.

Die mutmaßlich von der Richterin Inez Gloski verfasste Presseerklärung des Amtsgerichts Weimar vom 12.04.2021 ist (leider?) vornehm zurückhaltend:

Am 08.04.2021 hat ein Einzelrichter des Amtsgerichts Weimar als Familienrichter im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen.

Die 192 Seiten umfassende Entscheidung des Einzelrichters weist als Verfahrensbeteiligte zwei minderjährige Kinder, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, sowie den durch den Einzelrichter bestellten Verfahrensbeistand auf.

Der Einzelrichter ist davon ausgegangen, dass die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört und hat die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges verneint.

Als Rechtsgrundlage für die Begründetheit seiner Entscheidung hat der Einzelrichter § 1666 BGB angewandt.

Das Lüften der Klassenzimmer hat der Einzelrichter nicht untersagt.

Der Beschluss ist grundsätzlich nicht anfechtbar. Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden.

Bemerkenswert ist, dass diese Presseerklärung gleich auf der ersten Seite des Gerichts veröffentlicht wurde. Ich werte das als ein Zeichen dafür, dass das dortige Richterkollegium diese Entscheidung nicht mittragen, sondern sich damit von diesem „Kollegen“ distanzieren wollen.

Ich zitiere einen Richter (nicht aus Weimar), der sich weit weg von diesem Richter und seinesgleichen stellt:

Sie beugen das Recht ihrem Willen und sollten alle rechtsstaatlichen Konsequenzen tragen. Deswegen erstatte auch ich morgen Strafanzeigen. Das sind nicht meine Kollegen!

In dem dann einzuleitenden Strafverfahren wird nicht gegen das Amtsgericht Weimar ermittelt, sondern gegen diesen Richter in persona. Das Ende wird vermutlich nicht eine Verurteilung stehen, aber es wird das Ende der Karriere dieses Juristen sein. Und das ist auch gut so.

Bildrechte beim Thüringer Oberlandesgericht


Keine Rechtsbeugung

Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch eines Richters vom Vorwurf der Rechtsbeugung bestätigt.

Das teilte die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 26.01.2021 mit.

Das Landgericht Zweibrücken hat den Angeklagten, einen Richter am Amtsgericht, vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg.

Der Angeklagte war unter anderem für die Bearbeitung von Bewährungssachen zuständig und hatte die Erfüllung von Geld- und Arbeitsauflagen zu überwachen. Die Staatsanwaltschaft legte ihm zur Last, dabei in vier Fällen Auflagen, die die jeweiligen Verurteilten nicht erfüllt hatten, mit sachfremden schriftlichen Begründungen aufgehoben zu haben. In seinen Beschlüssen berief sich der Angeklagte allein auf einen angeblichen Personalmangel des Gerichts. Dieser lasse es nicht zu, die Erfüllung von Auflagen ordnungsgemäß zu überwachen. Diese Entscheidungen des Angeklagten wurden später durch das Beschwerdegericht aufgehoben.

Das Landgericht Zweibrücken sprach den Angeklagten mit Urteil vom 4. Oktober 2019 mit der Begründung frei, der Angeklagte habe seine Entscheidungen nicht allein auf die sachfremden schriftlichen Begründungen gestützt. Er habe vielmehr die Verfahren gezielt ausgewählt und bei seinen Entscheidungen weitere sachbezogene Überlegungen angestellt. Daher habe ein elementarer Rechtsverstoß, der eine Rechtsbeugung begründen könne, nicht vorgelegen.

Die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Landgerichts weist nach Auffassung des zuständigen 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs keinen Rechtsfehler auf. Daher hat der Bundesgerichtshof den Freispruch des Angeklagten bestätigt. Die Sache ist damit rechtskräftig abgeschlossen.

Pressemitteilung Nr. 017/2021 vom 26.01.2021 zu
BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – 4 StR 83/20

Wäre der angeklagte Richter verurteilt worden, hätte er mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechnen müssen, § 339 StGB. Dies hätte für den Richter zwangsläufig die Beendigung des Dienstverhältnisses bedeutet, § 24 DRiG.

Und genau diese außerhalb des Strafrechts liegende Rechtsfolge bestimmt die Auslegung insbesondere des subjektiven Tatbestands der Rechtsbeugung.

Grundsätzlich reicht nach der ständigen Rechtsprechung ein bedingter Vorsatz aus. Aber – und das ist der Rettungsanker – für die Handlung der Rechtsbeugung wird ein bewusst überzeugungswidrigen Regelverstoß verlangt. Also wird doch wieder die Absicht vorausgesetzt – die in den meisten Fällen nicht nachweisbar ist.

Die Rechtsprechung im Zusammenhang mit im professionellen Zusammenhang begangenen Straftaten von Strafverteidigern (z.B. bei der Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder beim Parteiverrat (§ 356 StGB)) ist weniger zuvorkommend.

Bericht über das Urteil in 1. Instanz
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