Bedenkliches Kanzlei-Fenster

Wenn die Polizei mitten in der Nacht durch das Fenster in eine Rechtsanwaltskanzlei schaut, stellt sich nicht nur die Frage nach der Zulässigkeit, sondern auch nach der Zuverlässigkeit des Anwalts.

Einen illustrien Einblick in die Ermittlungsmethoden der Polizei gibt dieser Ausriss aus einem Bericht über die Observation einer Rechtsanwaltskanzlei.

Mit „Büro“ meint der Polizeibeamte „Kanzlei“, in die er das Kameraobjektiv gerichtet hatte. Er konnte zwar nicht hören, was der Anwalt mit seiner Mandantschaft besprochen hat, aber die Schriftstücke und den Text auf dem Bildschirm konnte er mitlesen.

Das Indiz – die Änderung der Bankverbindung der GmbH in einem Schreiben an das Finanzamt – wurde dann in den späteren Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen genutzt.

Darüber, ob ein solcher Angriff in das anwaltliche Mandatsverhältnis tatsächlich bedenkenlos zulässig ist und die derart gewonnenen Beweismittel verwertet werden können, muss man sich hier keine Gedanken machen; es spielt in diesem Falle keine Rolle mehr.

Berufsrechtlich ist es jedenfalls mindestens problematisch, wenn der Rechtsanwalt seinen Arbeitsplatz so organisiert, dass vertrauliche Unterlagen und der Monitor seines Rechners von außen durch’s Fenster eingesehen werden können.

700 Bußgeldverfahren

Die Teilnahme an nicht genehmigten oder gar verbotenen Demonstrationen und sogenannten Spaziergängen wird sich nicht jeder leisten können. Jedenfalls in München nicht.

Nach Polizeiangaben wurden rund 700 Ordnungswidrigkeitsanzeigen erstellt sowie Strafanzeigen gegen zwei Personen, die eine »verantwortliche Rolle« gespielt hätten.“

Der Spiegel berichtete am 30.12.2021 über das Vorgehen der Münchener Polizei, die den provokativen Überschreitungen der deutlichen Grenzen des Versammlungsrechts mit Konsequenz begegnet.

Wie dem Spiegelartikel weiter zu entnehmen ist, soll sich diese Konsequenz im späteren Bußgeldfahren fortsetzen. Akte anlegen, Anhörung rausschicken und dann den Bußgeldbescheid hinterherschicken, kündigt das Kreisverwaltungsreferat an.

Am Ende werde die jeweilige Bußgeldhöhe festgelegt – möglich sind bis zu 3000 Euro.

Es ist damit zu rechnen, dass viele dieser Bußgeldbescheide mit Einsprüchen angegriffen werden. Dann können die Spaziergänger vor den Strafrichtern des Amtsgerichts München weiter demonstrieren.

Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen, die ich mit Münchener Richtern gemacht habe, wird den meisten der Demonstranten die Freude an der Wiederholung dieser Ausflüge ausgehen. Zumindest aber die finanziellen Mittel für die Folgen.

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Bild von Karsten Paulick auf Pixabay