Aufsatzschnorrer

Wenn ein erfolgreicher juristischer Verlag das Schnorren anfängt: Ist das ein Hinweis auf dessen kritische finanzielle Lage? Oder einfach nur unverschämt?

Jeder Anwalt kennt das: Mal eben eine Rechtsauskunft erteilen, selbstverständlich kostenlos. Es sind Beratungsschnorrer und Schnäppchenjäger, die Leistungen zu ergaunern versuchen, ohne bereit zu sein, eine Gegenleistung dafür zu erbringen.

Meist handelt es sich dabei um Privatpersonen. Oft ist das Verhalten aber auch aus der Not geboren. Wenn dann der Tonfall stimmt, kann man der Bitte um einen kostenlosen Rechtsrat auch entsprechen. Für solche „pro-bono-Mandate“ hat jeder Anwalt ein gewisses Kontingent.

In einer anderen Liga spielt die Anfrage, die kürzlich von einem namhaften Verlag für juristische Fachliteratur an mich herangetragen wurde.

Die Anfrage

Die leitende Redakteurin einer Zeitschrift, „die sich an Rechtsreferendaren/innen und Berufseinsteiger/innen wendet„, bat mich darum, für diese Veröffentlichung einen Aufsatz zu schreiben.

Die Zeitschrift wird an die jungen Juristen kostenlos verteilt. Es liegt auf der Hand, dass damit die nachwachsende Generation Juristen an den Verlag herangeführt werden soll. Eine gut ausgedachte Marketing-Aktion, die sicher ihren Erfolg haben wird und soll. Soweit, sogut.

Die Redakteurin kam dann auch gleich zackig zur Sache:

Der Artikel sollte einen Umfang von ca. 15.000 Zeichen mit Leerzeichen haben (also ca. 3 Seiten) und kann gerne mit Fotos aufgelockert werden. Ein kurzer Lebenslauf und ein Foto vom Autor erscheinen zum Artikel, der wenn möglich bis zum 11.02.2022 hier vorliegen sollte.

Gut, so einen Aufsatz mit den Spielereien drumrum sollte ich innerhalb von zwei bis drei Stunden auf die Festplatte getippt bekommen.

Hört sich gut an, oder? Wenn da nicht der folgende Satz gestanden hätte:

Eine Vergütung für solch einen Beitrag ist leider nicht vorgesehen.

Die Umfrage

Ich war perplex, und wusste erst nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Deswegen habe ich auf Twitter in die Runde gefragt:

Die Stellungnahme des Schwarms war eindeutig: Von 757 abgegebenen Stimmen waren 696 dafür, dem Verlag eine Absage zu erteilen. Das entsprach auch meinem Gefühl, das sich in meinem Magen breitmachte.

Der Verlag veranstaltet eine Marketing-Aktion und ich sollte für lau das Material dazu liefern, damit junge Juristen teure Zeitschriften- und Kommentarliteratur-Abonnements abschließen.

Ich habe dann überlegt, wie ich der Redakteurin (die im Nebenberuf auch Rechtsanwältin ist – oder umgekehrt?) und damit dem Verlag antworte.

Die Reaktion

Mir ist dann folgendes eingefallen:

Ich denke, es war deutlich genug, was ich davon halte, aber immer noch so zurückhaltend, dass man meine Antwort nicht auch für so unverschämt halten kann wie die Anfrage.

Bild: Byzantine and Christian Museum, Athen via Wikipedia