Zum Krieg gegen das ukrainische Volk ein paar Gedanken eines Strafverteidigers, dem das Gefühl der Ohnmacht nicht fremd ist.
Um es gleich vornewegzunehmen und klarzustellen: Das hier ist auch meiner Ansicht nach der einzig richtige Platz für Putin:
Noch ist es aber nicht soweit; das ukrainische Volk, wir alle müssen mit diesem Kriegsverbrecher (einen Sch*iß hier auf die Unschuldsvermutung!) leben und sterben. Noch.
Die Regierung der Ukraine und viele Menschen dort wie anderenorts fordern Unterstützung im Kampf gegen Putin und seine Soldaten. Vornehmlich geht es den Ukrainern um Waffen und Munition, vielleicht auch um um eine aktive militärische Unterstützung.
Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident in Kiew, will sich mit militärischen Mitteln gegen die Invasoren verteidigen. Er hat eine Generalmobilisierung für alle wehrfähigen Ukrainer von 18 bis 60 Jahren angeordnet. Sie und auch er selbst sollen (wollen?) sich der Putin-Armee entgegen stellen und ihr Land mit Waffen verteidigen.
Das Angebot der Amerikaner, ihn außer Landes zu bringen, lehnte Selenskyj ab. Der von mir sehr geschätzte Kollege Marius Raabe (@Marius_Raabe) postete auf Twitter:
Ist Selenskyj tatsächlich ein Held? Wenn man die klassischen Maßstäbe anlegt: Ja. Er kämpft gegen einen übermächtigen verbrecherischen Gegner, ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit. Sein Ziel, seine Motive und sein Handeln sind aller Ehren Wert. Schon jetzt hat er seinen Platz in den künftigen Geschichtsbüchern und Gedenktafeln sicher.
Es gibt aber auch eine – wie ich meine – ehrenwerte Alternative.
Am vergangenen Donnerstag bereits hatte ich – auch auf Twitter – geschrieben:
Wenn die Ukraine sich nicht wehrt, wird sie von Putin überrannt.
https://twitter.com/KanzleiHoenig
Wenn die Ukraine sich wehrt, wird sie auch von Putin überrannt.
Der Unterschied besteht in der Anzahl der getöteten Menschen und dem Ausmaß der zerstörten Infrastruktur.
Der Weg, den Selenskyj hier geht, bedeutet
- den sicheren Tod und das Elend zahlloser Menschen
- die massive Zerstörung großer Teile der Städte
- die Vernichtung von Versorgungseinrichtungen und Infrastrukturen
- die Flucht von tausenden Menschen unter Zurücklassung all dessen, was ihr Leben bisher ausgemacht hat
- die Trennung der Frauen und Kinder von ihren Söhnen, Ehemännern und Vätern, die in Todesgefahr zurückbleiben.
Mich hat ein Bild beeindruckt: Der Vater wird kurz vor der Grenze aus dem Zug nach Westen gezerrt, seine Frau und seine Kinder müssen ohne ihn weiterfahren. Er wird zurück ins Landesinnere transportiert, damit er als Soldat der Landesverteidigung zur Verfügung steht.
Und damit er mit relevanter Wahrscheinlichkeit dort den Heldentod stirbt. Vielleicht auch erst, nachdem er für den Heldentod eines anderen Soldaten, einer der wie er zuvor von seiner Familie in Russland getrennt wurde, gesorgt hat.
All diese Zerstörungen und Vernichtungen, der Verlust von vielen Menschenleben verhindern ganz sicher aber nicht, dass Putin und seine Vasallen die Urkaine besetzen und unterwerfen. Es wird „nur“ – etwas? – länger dauern, bis es soweit ist. Im Ergebnis läuft es auf dasselbe hinaus.
Wie sieht nun die Alternative aus:
Selenskyj könnte erhobenen Hauptes die weiße Fahne an den anderen, linken Fahnenmast des Regierungsgebäudes hängen und kapitulieren (was er – oder die, die nach ihm kommen werden – ohnehin tun wird, nur eben später).
Das(!) wäre heldenhaft, weil dadurch zigtausendfaches Leid verhindert würde.
Wenn die Menschen vor diese Alternative gestellt worden wären, bevor ihre Wohnungen und Häuser zerbombt wurden, und gefragt worden wären, was ihnen lieber ist, weiß ich die Antwort, bevor ich sie gehört habe.
Als Strafverteidiger kenne ich das Gefühl der Ohnmacht sehr genau. Wenn man mit jeder Faser des Körpers das Unrecht spürt, aber nicht dagegen ankämpfen kann … das ist nur schwer erträglich. Hat man allerdings erkannt, dass man mit dem Kopf nicht durch die Wand kommt, sind andere Wege angesagt; Umwege, die weiter und vielleicht auch beschwerlich sind, die aber verhindern, dass man sich den Schädel einrennt.
Der Verzicht auf militärischen Widerstand bedeutet nicht den Verzicht auf die Sanktionen, die jetzt auch verhängt werden.
Eine Wiederholung ist nicht zu befürchten, wenn diese Reaktionen konsequent geschehen. Das nämlich bedeutet das wirtschaftliche Aus Russlands.
Und die Kapitulation vor der Übermacht der Waffen bedeutet dann auch keine Zustimmung, überfallen zu werden.
Es gibt immer eine Alternative zur Gewalt. Und heldenhaft wäre es auch, seine Machtlosigkeit einzuräumen, wenn man anders Menschenleben nicht retten kann.
Schaffen wir eine internationale Einigkeit und drehen diesem verlogenen Kriegsverbrecher Putin nachhaltig den Geldhahn zu, isolieren wir ihn und seine Spießgesellen von der zivilisierten Welt.
Der Mann ist nicht unsterblich. Das Volk der Ukrainer aber schon.