Die Behauptung, Dienstaufsichtsbeschwerden nützen nichts, ist widerlegt. Im Gegenteil, sie bringen ordentlich Schwung in die lahme Juristenbude.
Anweisung des OStA an die Geschäftsstelle:/
1. „Die Verteidigungsanzeige des RA vom 25.06.2025 befindet sich nicht in den Akten – bitte elektronischen Zugang prüfen.“
Da hat jemand wohl vergessen, den beA-Posteingang auszudrucken. .
2. „ln MESTA erfassen, dass die Beschuldigte R* weiblichen Geschlechts ist.“
Beim Vornamen „Marie-Luise“ kann man heute ja auch nicht mehr sicher sein, dass nicht doch ein Mann so einen Namen trägt. .
3. „Vermerk: Da der Sachbearbeiter beim LKA urlaubsbedingt nicht erreicht werden konnte, habe ich heute mit der stellvertrenden Leiterin telefonisch vereinbart, dass sie die Sachakten schnellstmöglich an die Staatsanwaltschaft übersenden wird. Auf die besondere Eilbedürftigkeit (AE-Gesuche) habe ich hierbei hingewiesen.“
Dem war der Textbaustein #AE-Sofort!, zusammen mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde vorausgegangen. .
4. “ Verfügung: AE n.A. durch Übersendung von 1 Bd. Sachakten nebst 2 Sonderheften für 3 x 24 Stunden gegen Gebühr an RA – mit Zusatz (in Fettdruck): Es wird hier einstweilen davon ausgegangen, dass sich Ihre Dienstaufsichtsbeschwerde vom 05.08.2025 infolge der Gewährung der Akteneinsicht erledigt hat.“
Von wegen „Formlos-Fristlos-Fruchtlos“: Dienstaufsichtsbeschwerde rules!
Diese Justiz (in diesem Fall einmal nicht die Berliner) ist eine einzige Mängelverwaltung; ich kann es bei besten Willen nicht nachvollziehen, wie sich das jemand antun kann, der sich durch das elende Studium, das erniedrigende Referendariat und die zwei krankmachende Staatsexamen gequält hat.
Nach und nach nutzen auch die Strafgerichte die aktuellen Mittel der Kommunikation. Vorreiter ist das Sauerland, wo die Misthaufen qualmen und es keine Palmen gibt.
Das Landgericht Arnsberg – genauer: der Vorsitzende der 6. Wirtschaftsstrafkammer – schickt mir per beA (besonderes elektronische Anwaltspostfach) gegen eEB (elektronisches Empfangsbekenntnis) diese Ladung zu einem Erörterungstermin:
Da in einem solchen Termin nach § 202a StPO oder § 212 StPO ohnehin die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, müssen die Verteidiger nicht aus Berlin, Braunschweig oder Iserlohn nach Arnsberg anreisen.
Der Vorsitzende stellt hier die Mittel zur Verfügung, die hoffentlich bald auch zum Alltag der übrigen Gerichte in der Republik gehören werden.
Leider entfällt bei einer solchen Videokonferenz aber das persönliche Treffen mit einem Abendessen und zünftigen Getränken in und aus dem Sauerland. Dann singen wir das Lied eben online:
Ich möchte gern eine Antragsschrift an das Landgericht Arnsberg schicken. Und das soll jetzt nach dem Willen der BRAK und des Gesetzgebers per besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) erfolgen.
Dazu muss ich eigentlich nur die Adresse des Landgerichts eingeben, der Rest wie die Aktenzeichen etc. steht in meinem Schriftsatz bzw. soll von der Software automatisch übernommen werden.
Also lege ich los und suche in diesem beA die Adresse des Gerichts:
Ok, das Amtsgericht wurde gefunden. Das ist aber hier nicht zuständig.
Zurücksetzen und zweiter Versuch:
Auch hier schlägt mir das beA das Amtsgericht vor. Nein, das möchte ich aber nicht.
Nochmal zurücksetzen und dann den dritten Versuch:
Das beA bleibt stur. Das Landgericht scheint per beA nicht erreichbar zu sein, jedenfalls nicht für mich.
Dann also der bewährte work around: Ich schicke den Schriftsatz wie üblich per Fax auf die Geschäftsstelle der Strafkammer beim Landgericht. Und dann aber noch per beA an das Amtsgericht; sollen die sich doch darum kümmern.
Ich bin zu alt, um mich noch über diesen elenden Mist weiter aufzuregen.
Routine soll die Arbeit erleichtern. Allerdings hilft es nicht, wenn die Routine fehlerhaft oder, wie in diesem Fall, fehleranfällig ist.
In einer überschaubaren Wirtschaftsstrafsache habe ich meinen Standardtextbaustein „VertAnz“ an die Ermittlungsbehörde geschickt:
… ich zeige an, dass mich Herr Gottfried Gluffke mit seiner Verteidigung beauftragt hat, versichere anwaltlich meine ordnungsgemäße Bevollmächtigung und beantrage Akteneinsicht.
Damit kam die Sache in Gang. Die Staatsanwaltschaft war aber am Ende leider nicht davon abzuhalten, beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls zu beantragen.
Die zuständige Richterin hatte mit dem Antrag und der weiteren Verfügung erst einmal wenig Aufwand. Sie nutzte den auf Altpapier gedruckten Standardzettel, um die Zustellung des „mit/ohne Korrekturen“ erlassenen Strafbefehls bei ihrer Geschäftsstelle in Auftrag zu geben.
Weisungsgemäß erhielt Herr Gluffke den Strafbefehl mit formlos mit einfacher Post; mir als Verteidiger wurde er förmlich gegen EB (Empfangsbekenntnis) zugestellt.
Der geneigte Leser mag seinen Blick noch einmal auf meine Verteidigungsanzeige werfen: Eine „schriftliche Vollmacht“ war ihr nicht beigefügt.
Der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen.
Es gibt in der Akte keine auf mich lautende schriftliche Vollmacht. Deswegen liegt eine formell wirksame Zustellung nicht vor.
Das bedeutet, dem Gericht wird es schwerfallen, die ordnungsgemäße Zustellung des Strafbefehls nachzuweisen – sofern die Verteidigung diesen Fehler ausnutzt.
Wenn Verteidiger und Angeklagter schlicht schweigen auf die Frage, ob dem Angeklagten der Inhalt des Strafbefehls bekannt ist, fehlt es an einer essenziellen Prozessvoraussetzung.
Damit steht die Tür für ein fruchtbares Gespräch mit der Richterin einer völlig überlasteten Wirtschaftsabteilung beim Amtsgericht sperrangelweit offen:
Entweder man findet jetzt ein einvernehmliches Ende des Verfahrens. Oder der anberaumte Termin platzt – mit der Folge, dass der Strafbefehl noch einmal, diesmal dem Angeklagten, zugestellt und erneut terminiert werden muss. Anschließend müssen alle Beteiligten erneut geladen werden. (Ich habe es auch schon erlebt, dass sich das ganze Spiel dann mit der Zustellung der Ladung noch einmal wiederholte.)
Diese Art der Verteidigunganzeige ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht ist keine geheime Trickserei. Sondern dies beruht einfach auf meinem Wunsch, nicht als Zustellungsbote für das Gericht zur Verfügung stehen zu wollen. Dafür werde ich von meinem Mandanten nicht bezahlt.
Ich verstehe auch nicht, dass dieser Fehler von vielen Richter immer wieder gemacht wird. Er wäre locker vermeidbar, z.B. wenn das größte deutsche Amtsgericht mit zeitgemäßen Arbeitsmitteln ausgestattet wäre. Ein solcher Schmierzettel ist nun einmal fehleranfälliger als eine softwaregestützte Aktenführung:
Die Geschäftsstelle gibt obligatorisch per Mausklick bei der Aktenanlage ins System ein:
Verteidigungsanzeige mit Vollmacht [_]
Verteidigungsanzeige ohne Vollmacht [x]
Dann kann die Richterin nichts falsch machen, wenn sie eine Zustellung verfügt:
Wenn Vollmacht (+), dann Zustellung per Empfangsbekenntnis an Verteidiger.
Wenn Vollmacht (-), dann Zustellung per Postzustellungsurkunde an Angeklagten.
Solange aber mit vorsintflutlichen Mitteln gearbeitet werden muss, ist mit Fehler zu rechnen, die nicht zur Entlastung des Gerichts beitragen. Und die von Verteidigern zugunsten ihrer Mandanten genutzt werden (müssen).
Urteile und Beschlüsse sind Entscheidungen des Gerichts. Nicht die eines Richters. Er ist „nur“ der Verkünder der gerichtliche Entscheidung.
Das ist grundsätzlich auch eine gute Sache. Weg von der subjektiv-persönlichen Ebene und hin zu einer objektiv-sachlichen Distanz.
Nun gibt es aber ein paar Entscheidungen, die man vielleicht nicht dem Gericht zuordnen möchte.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es beispielsweise der Direktorin des Amtsgerichts Weimar Carolina Brauhardt oder der Richterin Inez Gloski, Mediensprecherin beim Amtsgericht Weimar, nicht gefallen dürfte, mit dem Richter in einen Topf geworfen zu werden, der als Familienrichter eine Entscheidung (Beschl. v. 08.04.2021, Az. 9 F 148/21) zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen hat, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nun überhaupt nichts mehr gemein hat.
Wenn ich lese, dass das „AG Weimar“ diese unfassbare einstweilige Anordnung erlassen hat, denke ich, dass es in diesem Fall besser für die Reputation dieses kleinen, schnuckeligen Amtsgerichts in Thüringen gewesen wäre, wenn hier der Name dieses unsäglichen Schwurblers in Robe genannt würde und nicht der des Gerichts.
Es gibt durchaus gewichtige Stimmen, insbesondere aus der Richterschaft, die – für den Kundigen gut erkennbar – darüber nachdenken, ob dieser Richter am Amtsgericht Weimar sich eines Verbrechens strafbar gemacht haben könnte.
Am 08.04.2021 hat ein Einzelrichter des Amtsgerichts Weimar als Familienrichter im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen.
Die 192 Seiten umfassende Entscheidung des Einzelrichters weist als Verfahrensbeteiligte zwei minderjährige Kinder, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, sowie den durch den Einzelrichter bestellten Verfahrensbeistand auf.
Der Einzelrichter ist davon ausgegangen, dass die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört und hat die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges verneint.
Als Rechtsgrundlage für die Begründetheit seiner Entscheidung hat der Einzelrichter § 1666 BGB angewandt.
Das Lüften der Klassenzimmer hat der Einzelrichter nicht untersagt.
Der Beschluss ist grundsätzlich nicht anfechtbar. Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden.
Bemerkenswert ist, dass diese Presseerklärung gleich auf der ersten Seite des Gerichts veröffentlicht wurde. Ich werte das als ein Zeichen dafür, dass das dortige Richterkollegium diese Entscheidung nicht mittragen, sondern sich damit von diesem „Kollegen“ distanzieren wollen.
Ich zitiere einen Richter (nicht aus Weimar), der sich weit weg von diesem Richter und seinesgleichen stellt:
Sie beugen das Recht ihrem Willen und sollten alle rechtsstaatlichen Konsequenzen tragen. Deswegen erstatte auch ich morgen Strafanzeigen. Das sind nicht meine Kollegen!
In dem dann einzuleitenden Strafverfahren wird nicht gegen das Amtsgericht Weimar ermittelt, sondern gegen diesen Richter in persona. Das Ende wird vermutlich nicht eine Verurteilung stehen, aber es wird das Ende der Karriere dieses Juristen sein. Und das ist auch gut so.
Der Vorsitzende Richter meldete sich per eMail, um in einer Strafvollstreckungssache mit mir einen Termin zu vereinbaren. Diese (vereinzelte) Art der Kommunikation ist für Berliner Verhältnisse keineswegs der Standard.
Das sich anschließende Prozedere besteht allerdings noch in dem Versand von Faxen. Die *förmliche* Benachrichtigung über den Anhörungstermin erreichte mich per Fax.
Damit das Gericht im Zweifel nachweisen kann, dass ich die Terminsnachricht auch erhalten habe, muss ich den Empfang quittieren. Dazu schickt mir die Geschäftsstelle (per Fax) einen Vordruck:
Dieses Formular muss ich nun ausfüllen, unterschreiben und an die Geschäftsstelle zurücksenden.
Aber auch hier hat es Fortschrittchen gegeben: Mir wird gestattet, das Empfangsbekenntnis „per Telefax schnell und kostengünstig an die zuständige Geschäftsstelle zu übermitteln“. Und es wird (bisher jedenfalls noch) akzeptiert, dass ich meine eingescannte Unterschrift und meinen Kanzleistempel auf diesen digitalen empfangenen Zettel setze und per Faxdienstleister übermittele.
Irgendwann – ich fürchte aber, es nicht mehr erleben zu können – wird es auch beim größten deutschen (europäischen?) Strafgericht angekommen sein, dass die Welt sich seit den 80er Jahren weitergedreht hat.
Der Präsident des Landgerichts und die Direktorin des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) weisen an zahlreichen Stellen des Gerichtsgebäudes ausdrücklich darauf hin, dass die roten Abstandsmarkierungen unbedingt zu beachten sind!
Es gut, dass ich darauf hingewiesen wurde. Ich habe mich schon gefragt, welchen Sinn diese roten Abstandsmarkierungen auf Möbeln und Fußböden haben könnten. Fast hätte ich sie übersehen.
Vielen Dank, lieber Präsident und liebe Direktorin. Ich weiß Eure Fürsorge sehr zu schätzen!
Schon die alten Lateiner wussten: Ne bis in idem – nicht zweimal in derselben Sache. Für den, der es ausführlicher mag: Bis de eadem re ne sit actio – zweimal sei in derselben Sache keine Gerichtsverhandlung.
2.000 Jahre später haben kluge deutsche Männer und Frauen diesen Grundsatz so formuliert:
Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
Kundige Juristen, die zu diesem Verbot der Doppelverfolgung (oder Mehrfachbestrafung) dicke Bücher geschrieben und lange Urteile verfasst haben, beziehen das nicht nur auf Verurteilungen. Sondern auch auf Freisprüche. Und das ist auch gut so.
Wenn einmal ein Gericht rechtskräftig über Schuld und Unschuld entschieden hat, soll es dabei bleiben. Die Strafklage ist verbraucht. Ein für allemal.
Keine Regel ohne Ausnahme, so auch hier. § 362 StPO zählt abschließend vier Fälle auf, in denen dann doch noch einmal geurteilt werden darf.
Nur grobe Manipulationen und heftige Amtspflichtverletzungen sowie das nachträgliche Geständnis eines Freigesprochenen können zur Wiederaufnahme eines Verfahrens zuungunsten eines Verurteilten bzw. Freigesprochenen führen. Sonst nichts.
Schon vor 2.000 Jahren, dann am 23.05.1949 und schließlich bis heute war und ist man sich einig, dass der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit ein größeres Gewicht haben müssen als die materielle Gerechtigkeit.
Geplante Gesetzesänderung
Medienberichten zufolge vertritt der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Jan-Marco Luczak eine andere Ansicht. Er fühlt sich der materiellen Gerechtigkeit verpflichtet.
Für uns ist es nicht hinnehmbar, wenn ein Mörder weiter frei herumlaufen kann, obwohl er aufgrund neuer Beweismittel sicher überführt werden könnte.
Dieser Satz in sich schon unsinnig, nimmt man die europäische Menschenrechtskonvention ernst:
Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
Erst Recht, wenn ein Mensch freigesprochen wurde, kommt ein ernst nehmender und ernst zu nehmender Jurist nicht auf den Gedanken, ihn als Mörder zu bezeichnen.
Der Versuch, die Wiederaufnahmemöglichkeiten in Bezug auf nicht verjährbare Straftaten zu erweitern, stellt meiner Ansicht nach einen Bruch dieses über zweitausend Jahre alten Grundsatzes dar.
Im Übrigen möchte ich nicht erleben, dass diese Tür zur Durchbrechung der Rechtskraft geöffnet wird, damit im weiteren Verlauf ein vormals beschuldigter Freigesprochene dann auch wegen anderer „schwere Straftaten“ beliebig oft vor Gericht gestellt werden kann.