Das liest sowieso niemand

Die schlimmsten Folgen der weltweiten Juristenschwemme sind die Lizenzbestimmungen, die sich unterbeschäftigte Vertragsrechtler aus den Fingern gesaugt haben. Und die außer ihnen niemand liest.

Die Installation neuer Software ist stets ein Abenteuer. Besonders bei der ersten Inbetriebnahme des neuen Rechners. Dem Auspacken (neudeutsch: Unboxing) folgt die Einrichtung des Betriebssystems.

Doch bevor es richtig losgehen kann, wird der künftige Computernutzer zu einer quälend langweiligen Lektüre genötigt.

Ich bin mir sehr sicher, dass jeder, aber auch wirklich jeder, der beginnt, dieses ziviljuristische Geschwurbel zu lesen, bereits nach dem ersten Satz seiner Einweisung in die Psychiatrie ein großes Stück näher gekommen ist:

„Abhängig davon, wie Sie die Windows-Software erworben haben, ist dies ist ein Lizenzvertrag (i) zwischen Ihnen und dem Gerätehersteller oder dem Softwareinstallationsunternehmen, der bzw. das die Software zusammen mit Ihrem Gerät vertreibt, oder (ii) zwischen Ihnen und der Microsoft Corporation (bzw. einem verbundenen Unternehmen von Microsoft, je nachdem, wo sich Ihr Wohnsitz oder bei einem Unternehmen Ihr Hauptgeschäftssitz befindet), wenn Sie die Software bei einem Einzelhändler erworben haben.“

Auch die gewissenhaftesten und sorgfältigsten Leser dieser Ergüsse werden spätestens beim Erreichen des Punkts am ersten Satzende tief durchatmen, denn sie haben anschließend 92 1/2 weitere Absätze mit einschläferndem und unverständlichem Text vor sich.

Das liest kein Mensch freiwillig, der seine sieben Sinne beieinander hat.

Also: Nicht annehmen, Deckel zumachen, In- oder Reboxing und zurück mit dem Rechner? Oder Augen zu und durch?

Ich denke, dass die Vertragsjuristen von Microsoft (und in vergleichbaren Fällen von anderen Unternehmen) genau darauf setzen: Dass der gemeine User sich erst dann mit dem Zeug ernsthaft auseinander setzen wird, wenn irgendetwas schief gegangen ist.

Und erst dann wird er merken, welche Bedeutung diese 43.868 Zeichen für ihn haben. Im Grunde kann man den ganzen Sermon in vier (statt 5.626) Worte zusammenfassen:

Wir haften für nix!

Ich werde den Teufel tun und meine mir noch zur Verfügung stehende restliche Lebenszeit mit dem Studium dieses Machwerks von Menschen zu verbringen, die nichts besseres zu tun haben, als sich Formulierungen einfallen zu lassen, von denen sie wissen, dass sie sowieso (fast) niemand zur Kenntnis nimmt.

Diesem ganzen AGB-Mist werde ich auch zukünftig schlicht mit Ignoranz begegnen. Es interessiert mich einfach nicht, was sich irgendwelche pathologisch konditionierte Juristengehirne ausgedacht haben.

Mein Klick auf den Button „Annehmen“ stellt den gestreckten Mittelfinger dar.

Foto: Heinrich Klaffs - Frank Zappa 1609740009
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