Wer macht sowas? Wer zündet um kurz nach 22 Uhr einen alten Smart an?
Wer riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren (§ 306 StGB) dafür, dass er ein altes Auto abfackelt? Einen mickerigen Kleinwagen! Nicht den Lieblingsfeind unter den Kraftfahrzeugen, den SUV. Oder eine S-Klasse.
Die beiden neben dem Smart stehenden PKW, ebenfalls eher aus 2.000 Euro Klasse, sind nun auch Fälle für den Recyclinghof. Die Bäume scheinen es überlebt zu haben.
Das war die vierte oder fünfte Brandstiftung innerhalb weniger Monate in diesem Kiez.
Erklären kann man das allenfalls mit einer psychischen Erkrankung.
Den Feuerwehrleuten sei gedankt. Sie waren (auch diesmal wieder) relativ flott vor Ort und haben damit noch größeren Schaden verhindert.
Schon die alten Lateiner wussten: Ne bis in idem – nicht zweimal in derselben Sache. Für den, der es ausführlicher mag: Bis de eadem re ne sit actio – zweimal sei in derselben Sache keine Gerichtsverhandlung.
2.000 Jahre später haben kluge deutsche Männer und Frauen diesen Grundsatz so formuliert:
Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
Kundige Juristen, die zu diesem Verbot der Doppelverfolgung (oder Mehrfachbestrafung) dicke Bücher geschrieben und lange Urteile verfasst haben, beziehen das nicht nur auf Verurteilungen. Sondern auch auf Freisprüche. Und das ist auch gut so.
Wenn einmal ein Gericht rechtskräftig über Schuld und Unschuld entschieden hat, soll es dabei bleiben. Die Strafklage ist verbraucht. Ein für allemal.
Keine Regel ohne Ausnahme, so auch hier. § 362 StPO zählt abschließend vier Fälle auf, in denen dann doch noch einmal geurteilt werden darf.
Nur grobe Manipulationen und heftige Amtspflichtverletzungen sowie das nachträgliche Geständnis eines Freigesprochenen können zur Wiederaufnahme eines Verfahrens zuungunsten eines Verurteilten bzw. Freigesprochenen führen. Sonst nichts.
Schon vor 2.000 Jahren, dann am 23.05.1949 und schließlich bis heute war und ist man sich einig, dass der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit ein größeres Gewicht haben müssen als die materielle Gerechtigkeit.
Geplante Gesetzesänderung
Medienberichten zufolge vertritt der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Jan-Marco Luczak eine andere Ansicht. Er fühlt sich der materiellen Gerechtigkeit verpflichtet.
Für uns ist es nicht hinnehmbar, wenn ein Mörder weiter frei herumlaufen kann, obwohl er aufgrund neuer Beweismittel sicher überführt werden könnte.
Dieser Satz in sich schon unsinnig, nimmt man die europäische Menschenrechtskonvention ernst:
Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
Erst Recht, wenn ein Mensch freigesprochen wurde, kommt ein ernst nehmender und ernst zu nehmender Jurist nicht auf den Gedanken, ihn als Mörder zu bezeichnen.
Der Versuch, die Wiederaufnahmemöglichkeiten in Bezug auf nicht verjährbare Straftaten zu erweitern, stellt meiner Ansicht nach einen Bruch dieses über zweitausend Jahre alten Grundsatzes dar.
Im Übrigen möchte ich nicht erleben, dass diese Tür zur Durchbrechung der Rechtskraft geöffnet wird, damit im weiteren Verlauf ein vormals beschuldigter Freigesprochene dann auch wegen anderer „schwere Straftaten“ beliebig oft vor Gericht gestellt werden kann.
Das Wohnungsbauunternehmen ist spät dran mit der Betriebskostenabrechnung. Der Twitter-Accout @KottiU erteilt einen Rat:
#Servicetweet für die @Deutsche_Wohnen Nachbar:innen: Aktuell trudeln Betriebskostenabrechnungen für 2019 ein. Das ist zu spät für Nachforderungen! Wenn ihr 2021 noch für 2019 nachzahlen sollt: Ab damit zur Mieterberatung, wenn die DW das verbockt hat müsst ihr nicht zahlen!
Ich habe nicht geprüft, ob das, was @KottiU empfiehlt, auch rechtlich einwandfrei ist. Als Strafverteidiger ist mir das Mietrecht fremd.
Aber ich frage mich als Mieter: Wenn es denn so wäre, dass die Vermieterin keinen Anspruch mehr auf eine Nachzahlung hat, ist es in Ordnung, wenn man die Zahlung dann auch verweigert? Oder soll der Mieter die Betriebskostenzahlung leisten, auch wenn die – unterstellt korrekte – Abrechnung eigentlich zu spät kommt?
Dabei habe ich im Hinterkopf, dass die Vermieterin dafür gesorgt hat, dass der Hof gefegt und die Treppen geputzt sind, das Licht im Flur funktioniert und die Gegensprechanlage in Ordnung gehalten wird. Die Vermieterin hat also zu Gunsten des Mieters eine Leistung erbracht – darf er dennoch die Gegenleistung verweigern?
Rechtlich gesehen mag das so sein. Aber ist ein solches Verhalten auch ethisch vertretbar?
Drehen wir das doch mal rum. Der Mieter hat einen Anspruch auf Rückzahlung eines versehentlich zuviel gezahlten Betriebskostenvorschusses, vergisst den Anspruch eine zeitlang und reklamiert zu spät die Rückforderung. Was wäre dann von der Vermieterin zu halten, wenn sie sich auf die Verjährung beruft und eine lange Nase macht? (Ja, auch für diesen umgekehrten Fall gibt es gesetzliche Regeln; aber auch ethische.)
Ich halte ein faires Miteinander auf Dauer für sinnvoll, wenn man auf die Fortsetzung einer Vertragspartnerschaft Wert legt. Tricksereien und das Berufen auf Förmeleien sollte denen vorbehalten bleiben, denen das „ICH“ wichtiger ist als das „WIR“.
Wenn ich hin und wieder unseren Vermieter zufällig im Hof treffe, habe ich kein Problem damit, mit ihm gemeinsam ein Bier oder ein Caffè zu trinken. Auch wenn ich seit über drei Jahrzehnten monatlich viel Geld an ihn überwiesen habe. Weil das meine Gegenleistung dafür ist, dass er mir seine (sic!) Wohnung dafür überlässt.
Der Gusstopf, vier Stunden nach dem Start in der Küche: Drei Stunden für die Rinderbrühe und eine Stunde für die Erbsen. Macht knapp fünf Liter Erbensuppe vom Allerfeinsten.
Der LTO-Newsletter ist meine Lektüre zum Frühstück. Die Presseschau um halb acht liefert mir einen ersten Überblick über die Themen, die die Juristen-Welt beschäftigen. Sie ist Unterhaltung, Fortbildung und auch Anregung für eigene Texte, wie zum Beispiel zu diesem Blogbeitrag.
Hinter dieser Mitteilung vermutete ich einen Aufhänger für einen Beitrag über Verjährungsfristen und den Haftgrund nach § 112 Abs. 3 StPO:
LTO-Newsletter vom 27.01.2021
Ich habe meine Hemmschwelle überwunden und dann auf den Link geklickt, um zu dem zu erwarternden „BILD-Irrsinn“ zu kommen.
Statt mich nun direkt zu dem Artikel vom Brekenkamp und Engelberg zu leiten, schicken mich die Macher des LTO-Newsletter in den tiefen Morast des Boulevards:
BILD-Landingpage am 27.01.2021, 10:24 Uhr
Es wäre nun an mir gewesen, in diesem Unrat nach dem Bericht über die Entscheidung des LG Dortmund zu wühlen. Dafür war mir aber der Caffè zu schade, den ich dann nicht mehr hätte genießen können. Ich habe verärgert abgebrochen.
Statt den Blogbeitrag über die Haftverschonung schreibe ich nun diesen Beitrag, mit dem ich mich direkt an die Journalisten von LTO richte.
Also, liebe Freunde, wenn ihr schon das Organ der Niedertracht zitiert, dann doch bitte gezielt. Erspart Euren (sic!) Lesern das grauselige Erlebnis einer Suche durch diese fürchterlichen Überschriften.
Wünschenswert wäre allerdings, Ihr verzichtet – entsprechend Eures eigenen Anspruchs auf Qualität – vollständig auf Zitate der BILD. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt:
Beim Blumen-Weyer in der Neuköllner Sonnenallee gibt es nicht nur Grünzeug und Drachenfutter. Wenn die Floristinnen den bestellten Blumenstrauß zusammenstellen, kann man die Wartezeit mit einem Espresso überbrücken.
Caffè-Vespa
In Coronazeiten gibt’s den Caffè durch’s Fenster, außer Blumenhaus sozusagen.
Wenn ich in diesen Tagen Urlaub in Syrien machen möchte, muss ich nur ein paar Schritte laufen.
Die Sonnenallee in Neukölln unterscheidet sich vom Basar Suk in Aleppo nur in Nuancen:
Syrische Metzgerei
Ja, manchmal ist es anstrengend, in dieser Ecke Neuköllns zu leben. Dann genieße ich den Luxus kleiner Fluchten in bürgerliche Gegenden.
Es dauert aber nicht lang, dann freue ich mich, wieder in den Kiez zurück kommen zu können, in dem ich nun seit fast 35 Jahren lebe. Ohne schwäbische Kehrwoche.
Dauerwellen sind überlebenswichtig. Oder Shize auf das Leben, Hauptsache die Frisur sitzt.
Dieter Schütz / pixelio.de
Leni ist stattliche 93 Jahre alt. Mit ihren altersbedingten Einschränkungen ist sie fit und lebt allein in ihrer top gepflegten Zweizimmerwohnung.
Wir telefonieren unregelmäßig, mal rufe ich an – meist nachmittags, mal erreicht Leni mich morgens früh um halb acht noch beim Wachwerden. Ein freundschaftliches Verhältnis, das sich nach dem Tod ihres Partner verfestigt hat.
Am Wochenende rief Leni mich an. Ihre Schwester Klara sei gestorben, kurz nach ihrem 89. Geburtstag.
Klara lebte sei einigen Jahren schon in einem Seniorenheim und zwar gern. Sie hatte dort alles, was sie brauchte und war zufrieden.
Jetzt hatte sich Klara mit Corona infiziert. Zwei Wochen war sie krank. Dann war sie tot.
Leni berichtete davon, dass das Personal des Seniorenheims es nicht so genau genommen haben soll mit den Masken. Klara habe ihr davon berichtet, dass die Mitarbeiter des Heims sehr oft ohne den Mund-Nase-Schutz herumliefen. Aber Klara habe sich nicht mehr durchsetzen können.
Wir haben noch eine ganze Weile miteinander gesprochen; gegen Ende des Telefonats war Leni nicht mehr ganz so traurig.
Als wir uns verabschieden wollten, frage Leni mich:
Carsten, sag mal, ist unter Deinen Mandanten nicht ein Frisör? Der mal heimlich zu mir kommen könnte, um mir die Dauerwelle zu machen? Ich seh‘ schrecklich aus.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Standpauke zum Thema „Lebensgefährliches Ansteckungsrisiko versus Frisurentrends der 1920er“ genau dort angekommen ist, wo sie ankommen sollte.
Und ich habe gelernt, dass zur Würde eines alten Menschen auch eine anständige Frisur gehört. Selbst dann, wenn nur noch Besuch vom Pflegedienst kommt, der beim Kochen, Aufräumen und Einkaufen hilft.