Mindestlohn für Strafverteidiger

Die Vergütung eines Strafverteidigers ist nicht selten Anlass für eine Neiddebatte, gern geführt von anderen Strafjuristen, die ihr Gehalt monatlich im Voraus überwiesen bekommen. Hier nun mal ein paar Zahlen aus der Praxis.

Ein Kollege hat mich gebeten, ihn in einem umfangreichen Fall zu vertreten, weil er mal wieder lieber in der Sonne sitzt, als in einem hermetisch abgeriegelten Gerichtssaal.

Es ging nur um einen Hauptverhandlungstermin, in dem ein Sachverständigengutachten zum Betäubungsmittelkonsum des Mitangeklagten erstattet wurde. Ich hatte also nur die Aufgabe, ein bisschen aufzupassen, mehr nicht. Keine große Vorbereitung und nur ein kurzer Terminsbericht.

Dennoch: Der zeitliche Aufwand war nicht ohne. Lässt man die Fahrten von der Kanzlei ins Gericht und zurück – jeweils 30 Minuten, sieht die Rechnung so aus:

  • 15 Min. Instruktion durch den Verteidiger
  • 10 Min. Besprechung mit dem Mandanten
  • 180 Min. Verhandlung vor der Mittagspause
  • 90 Min. Verhandlung nach der Mittagspause
  • 20 Min. Bericht an den Verteidiger
  • 10 Min. Abrechnung mit der Justiz

In Summe: 325 Minuten. Die Mittagspause in der Kantine wird wie die Fahrtzeiten auch nicht berücksichtigt.

Und so sieht dann der Kostenfestsetzungsantrag aus:

Das sind rund 1,15 € pro Minute. Umsatz! Davon zahlt der Rechtsanwalt jetzt noch die Miete für die Kanzlei, das Gehalt für die Mitarbeiterinnen und alle weiteren Betriebskosten … das Parkticket und den Sprit für die 20 km An- und Abreise zum bzw. vom Gericht. Von dem Rest finanziert er seine Krankenversicherung und die Altersversorgung.

Das gleiche Salär darf man erwarten, wenn man statt der 15 Minuten Vorbereitung etwa 90 Minuten braucht und der Terminsbericht nicht in 20 Minuten runtergeschrieben ist. Entscheidend für die Berechnung ist allein die Zeit, in der der Verteidiger im Gerichtstermin sitzt.

Wenn man sich – nach 7 Jahren Ausbildung und 26 Berufsjahren – von der Staatskasse alimentieren lassen muss, darf man eben nicht mehr erwarten.

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Bedenkliches Kanzlei-Fenster

Wenn die Polizei mitten in der Nacht durch das Fenster in eine Rechtsanwaltskanzlei schaut, stellt sich nicht nur die Frage nach der Zulässigkeit, sondern auch nach der Zuverlässigkeit des Anwalts.

Einen illustrien Einblick in die Ermittlungsmethoden der Polizei gibt dieser Ausriss aus einem Bericht über die Observation einer Rechtsanwaltskanzlei.

Mit „Büro“ meint der Polizeibeamte „Kanzlei“, in die er das Kameraobjektiv gerichtet hatte. Er konnte zwar nicht hören, was der Anwalt mit seiner Mandantschaft besprochen hat, aber die Schriftstücke und den Text auf dem Bildschirm konnte er mitlesen.

Das Indiz – die Änderung der Bankverbindung der GmbH in einem Schreiben an das Finanzamt – wurde dann in den späteren Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen genutzt.

Darüber, ob ein solcher Angriff in das anwaltliche Mandatsverhältnis tatsächlich bedenkenlos zulässig ist und die derart gewonnenen Beweismittel verwertet werden können, muss man sich hier keine Gedanken machen; es spielt in diesem Falle keine Rolle mehr.

Berufsrechtlich ist es jedenfalls mindestens problematisch, wenn der Rechtsanwalt seinen Arbeitsplatz so organisiert, dass vertrauliche Unterlagen und der Monitor seines Rechners von außen durch’s Fenster eingesehen werden können.

Eine eigenartige Kollegin

Manche Anfragen von Kollegen offenbaren deren eigenartige Einstellung zu ihrem Beruf und zur Verschwiegenheitsverpflichtung.

In der Akte eines amtsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens, das die Staatsanwaltschaft gegen einen Mandanten, einem Rechtsanwalt, geführt hat, fand ich das Aktenzeichen eines weiteren Verfahrens.

Ich vermutete eine Verbindung zwischen den beiden Verfahren und wollte ausschließen, dass an anderer Stelle etwas im Verborgenen blüht. Also habe ich auch Akteneinsicht in das vermeintliche „Parallel“-Verfahren beantragt.

Wenig später meldete sich eine Oberstaatsanwältin und teilte mir telefonisch die Hintergründe mit. Das neue Verfahren habe mit meinem Mandanten nichts zu tun. Damit war die Sache insoweit erledigt.

Vor ein paar Tagen nun, etwa ein halbes Jahr nach diesem Gespräch, meldete sich hier eine Rechtsanwältin. Sie forderte in einen recht robusten Tonfall gegenüber meiner Assistentin am Telefon Auskunft von mir, aus welchem Grund ich in „ihrer Sache“ Akteneinsicht beantragt hätte; und mit welcher Berechtigung.

 

Was erwartet so eine Rechtsanwältin von mir? Die auch für diese Kollegin zuständige Rechtsanwaltskammer München hat eine wunderschöne und auch für berufsrechtliche Laien unter den Rechtsanwältinnen verständliche Zusammenstellung der Vorschriften zur Verschwiegenheitspflicht veröffentlicht.

Dort und in den dort zitierten Vorschriften kann man nachlesen, dass eine Rechtsanwaltskanzlei keine Auskunftei ist bzw. sein darf. Mal eben per schnoddrigem Anruf einen Kollegen zu einem Berufsrechtsverstoß anzustiften versuchen, erscheint mir als ein deutlicher Hinweis auf ein eigenartiges Verständnis von den eigenen berufsrechtlichen Pflichten.

 

Vielleicht ist genau das auch der Grund, aus dem diese Kollegin mit der Oberstaatsanwältin „Kontakt“ hatte – die ist nämlich zuständig bei der Generalstaatsanwaltschaft München für Berufsrechtsverstöße von Rechtsanwältinnen in anwaltsgerichtlichen Ermittlungsverfahren.

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beA – Absurdidäten

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist eine Quelle dauerhaften Ärgernisses. Ein Fortbildungsangebot der RAK Berlin offenbart dessen Absurdität.

Das beA soll dazu dienen, einen sicheren Austausch von digitalisierten Daten zu gewährleisten. Für die Herstellung dieses Versand- und Empfangsprogramms haben wir Rechtsanwälte bereits einen Millionenbetrag gezahlt.

Bekommen haben wir dafür ein Instrument, das in der Praxis nur unter Androhung empfindlicher Übel genutzt wird, § 31a Abs. 6 BRAO. Weil das Programm den normal begabten Anwender (quasi also jeden Rechtsanwalt, der kein Informatik-Studium absolviert hat) überfordert.

Für den Betrieb dieser althergebrachten (sic!) Technologie erhebt die BRAK nach eigenen Angaben einen jährlichen Beitrag von voraussichtlich 65 bis 70 Euro für jeden der ca. 164.500 Berufsträger von den regionalen Rechtsanwaltskammern. Das sind 11,5 Mio. Euro. Jedes Jahr.

Der DeutscherAnwaltVerein hat weitere Kosten ermittelt:

Damit man mit dieser Software arbeiten kann, muss sie aber erst einmal auf den Kanzleirechnern installiert werden. Selbst Anwender, die kein Problem damit haben, einen neuen Rechner mit einem komplett neuen Betriebssystem aufzusetzen und Netzwerke zu pflegen, sind mit dieser Installation überfordert. Die Kosten für die Installation durch einen IT-Dienstleister dürften fast im vierstelligen Bereich liegen.

Aber auch die alltägliche Nutzung ist ein einziges Trauerspiel. Bevor man einen selbst erstellten Schriftsatz an ein Gericht oder an die Staatsanwaltschaft übermitteln kann, muss der gemeine Anwender erst einmal eine Fortbildung absolvieren.

Dafür bietet beispielsweise die Berliner Rechtsanwaltskammer gleich drei Veranstaltungen an:

Einmal abgesehen von den Kosten für diese Bedienungsanleitungen in Höhe von 485 Euro soll der doppelt examinierte Auszubildende sich 12 Stunden lang erklären lassen, wie man PDF-Dokumente ans Gericht schickt und wie man Post vom Gericht entgegen nimmt.

Allein schon dieses Fortbildungsangebot (pdf) belegt die Absurdität dieses Projekts „beA“.

Der Vorteil allerdings besteht darin, dass man nach der Teilnahme auch zuverlässig in der Lage ist, den monatlichen Spam Newsletter der BRAK zu empfangen (mit einem Link auf die Seite, von der man sich den Newsletter dann downloaden kann).

Meine Kanzlei ist seit 1996 stets mit der aktuellen Technologie ausgestattet. Seit vielen (10 oder mehr) Jahren arbeiten wir (nahezu) mit digitalisierten Akten. In all den Jahren habe ich mich noch nie so sehr und dauerhaft über eine Softwarelösung geärgert wie über dieses millionenschwere Machwerk (das zudem dafür kritisiert wird, nicht so sicher zu sein, wie es zu erwarten gewesen wäre).

Gegen jeden Ladendieb oder Schwarzfahrer wird strafermittelt; manch einer wird auch einsperrt. Die Verantwortlichen für das beA hingegen laufen immer noch frei rum.

Die Distanzklausel des Verratsanwalts

Nicht immer sind sich Mandant und Anwalt einig darüber, was in dem laufenden Verfahren vorgetragen werden soll.

Der Mandant – persönlich und emotional betroffen, juristisch unerfahren – erachtet einen Sachverhalt für prozessentscheidend; der Anwalt hingegen hält den Vortrag für entbehrlich oder gar für gefährlich in Hinblick auf die Mandanteninteressen.

  • Wie kann und soll ein solcher Konflikt (nicht) gelöst werden?

Auf Twitter berichtete ein Richter über den Lösungsversuch eines Rechtsanwalts.

Mit der Formulierung „Die Mandantschaft lässt vortragen …“ distanziert sich der Autor von dem, was er vorträgt. Er sendet an den Richter das Signal, dass er das Folgende für unerheblich hält.

Einen solchen Metatext nimmt nur ein nicht de lege artis arbeitender Richter dankend entgegen – erspart es ihm doch reichlich Zeit und Lesearbeit.

  • Was ist da eigentlich passiert?

Der Anwalt hat ein Internum aus dem Mandatsverhältnis preisgegeben. Die mandantsinterne Diskussion um die Erheblichkeit eines Sachvortrags gehört nicht in einen anwaltlichen Schriftsatz.

  • Wie muss ein Rechtsanwalt reagieren?

Wenn es einen nicht lösbaren Dissenz zwischen Rechtsanwalt und Mandant gibt, besteht die einzige richtig Konsequenz für den Anwalt darin, das Mandatsverhältnis sauber zu beenden. Die hier geschilderte Variante ist unzulässig. Sie verstößt gegen § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA und im Extremfall auch gegen § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB.

  • Wie müsste der Richter reagieren?

Zum einen darf der Richter auch diesen vom Anwalt disqualifizierten Vortrag nicht einfach ignorieren und dem Mandanten das rechtliche Gehör verweigern. Zum andern sollte er auf den Verdacht reagieren, dass der Anwalt gegen Straf- und Berufsrecht verstoßen haben könnte. Keinesfalls darf sich der Richter mit dem Rechtsanwalt gegen dessen Mandanten verbrüdern, stellte das doch auch einen Verstoß gegen richterliches „Berufsrecht“ dar und könnte dann u.U. auch strafbar sein.

  • Conclusio

Basis des Vertrauens der Rechtssuchenden in die Anwaltschaft ist anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Formulierungen, mit denen sich ein Advokat von dem, was er schreibt, distanziert, rütteln an diesem Fundament der Advokatur.

Distanzklauseln diskriminieren den Mandanten, sollen den eigenen Ruf eines angeblich kenntnisreichen Juristen simulieren und dienen in der Regel dem Erhalt des Mandats wegen der damit verbundenen Honorierung.

Sowas geht gar nicht!

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