Proaktiver Vorsitzender

Die Planung einer Verhandlung vor der Wirtschaftstrafkammer ist nicht vergnügungsteuerpflichtig, meinte neulich ein Vorsitzender, der mit mir – und mit weiteren 12 Verteidigern – die Termine abgestimmt hat.

Doch genau das ist sein Job:

Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.„, heißt es in § 213 StPO.

Er hat es aber geschafft. Der erste Termin von (bisher) 25 Hauptverhandlungsterminen sollte Mitte Februar stattfinden. Die 13 Angeklagten und fünf Einziehungsbeteiligte sowie ihre Verteidiger bzw. Vertreter hatten ihre Ladungen erhalten.

Was sonst noch im Hintergrund abgelaufen ist, weiß ich nicht; aber sicher gehören die Reservierung des Verhandlungssaals, die Information der Saalwachtmeister, der Protokollführer usw. auch dazu.

Ich kann mir die Erleichterung vorstellen, mit der der Vorsitzende die Terminsplanungsakte als erledigt beiseite gelegt hat.

Und dann hat er in die Corona-Warn-App geschaut:

 

Dann noch ein Blick in die Vorhersagen von Drosten und Lauterbach … und die schöne Planung wurde zur Makulatur.

Ich sehe es förmlich vor meinem geistigen Auge: Der Vorsitzende schluft gesenkten Hauptes mit nach vorn gebeugten Schultern, schwer atmend zu seinem Resopalschreibtisch, wirft den Windows- XP-Rechner an und tippt müde eine eMail an die Staatsanwältin und die Verteidiger:

Damit waren dann die ersten ca. zehn Termine aufgehoben, die am Ende – irgendwann im August – neu organisiert werden müssen.

Manchmal habe ich Mitleid mit den Richtern.

Furchtbare Fruchtbarkeit

Manchmal wiederholt sich die Geschichte doch. Wenn man nicht aufpasst, wenn *wir* nicht aufpassen. Denn es hört einfach nicht auf.

Deswegen einleitend zu diesem Beitrag ein aktualisiertes Zitat von Max Mannheimer: „Wir sind nicht Schuld an dem, was war; aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“

Als ich in den 80er Jahren an der Philipps-Universität Marburg mein Jura-Studium begonnen habe, wurde ich aufmerksam auf Erich Schwinge.

Damals in Marburg

Prof. Dr. Schwinge war in den Jahren 1954/1955 Rektor der Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät „meiner“ Uni. Zwischenzeitlich war er zwar emeritiert, gleichwohl hatte ihm die Verwaltung noch einen Raum reserviert, in dem er seinem juristischen Handwerk nachgehen konnte. An der Tür zu diesem Raum stand sein Name.

Schwinge war nicht nur Jura-Professor, sondern u.a. auch „gefragter Gutachter der Verteidigung in Strafprozessen gegen NS-Täter“. Und er war Kriegsgerichtsrat, deutlicher: Kriegsrichter.

Besondere Kritik fand nach 1945 der Fall des damals siebzehnjährigen Anton Reschny.[7] Dieser hatte als Wehrmachtsangehöriger, der noch nicht über seine Pflichten belehrt worden war, bei Aufräumarbeiten eine Geldbörse und zwei Armbanduhren an sich genommen. Daraufhin war er wegen Diebstahls unter Ausnutzung der Kriegsverhältnisse (§ 242 Reichsstrafgesetzbuch, § 4 Verordnung gegen Volksschädlinge) angeklagt worden, wofür eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren vorgesehen war. Schwinge wandte jedoch die Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches über die Plünderung an. Das Gericht verurteilte Reschny auf dieser Basis zum Tod. Die Todesstrafe wurde allerdings nicht vollstreckt.[8]“ (Quelle: Wikipedia; ausführlicher: Ingo Müller, in: Furchtbare Juristen, München 1987, Seite 192).

Dieser Fall machte in der Uni und unter uns Studenten die Runde. Wir haben uns organisiert, recherchiert und informiert. Es gab die klassischen Widerstände der etablierten Kreise, u.a. wurde uns die weitere Forschung in den Archiven untersagt. Ingo Müller war einer der (wenigen) „erwachsenen“ Juristen, die uns gerade deswegen weiter unterstützten.

Die weiteren Veröffentlichungen der jeweiligen Vita mancher unserer Ausbilder (und deren Lehrer) prägte das Bewusstsein der Jurastudenten in den 80er und 90er Jahren, zumindest an der Uni Marburg. Die Namen der Lehrbuchautoren wie beispielsweise der Klassiker im Verwaltungsrecht Ernst Forsthoff und der von ihm geprägte Begriff der „Daseinsvorsorge“ bekamen ab da einen ganz anderen Klang.

Und heute?

Wie sieht es heute aus? Es gibt keine Kriegsrichter mehr an deutschen Fakultäten. Das Problem der alten Nazis hat eine biologische Lösung gefunden. Alles gut also?

Nein, nicht alles ist gut! Aber es gibt Hoffnung.

Maria Fiedler berichtete bereits im November 2021 im Berliner Tagesspiegel (leider hinter einer Paywall) über eine Initiative von Rechtsreferendaren, die sich dagegen wehren, von einem aktiven und engagierten Mitglied einer Partei ausgebildet zu werden, die ein Zuhause für Faschisten ist.

Antonín Brousek ist (beurlaubter) Richter am Amtsgericht Schöneberg. In dieser Eigenschaft ist er auch Leiter der Arbeitsgemeinschaft, in der Rechtsreferendare auf ihr zweites Staatsexamen und ihre Befähigung zum Richteramt vorbereitet werden.

Zur Zeit ist Brousek auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Sein Weg zu diesem Posten führte über eine Liste der Partei für die Abgeordnetenhauswahl, für die er sich laut Bericht im Tagesspiegel u.a. mit folgendem Redebeitrag qualifizierte:

Diese Liste erinnert mich an Schindlers Liste. Wenn man auf der steht, dann lebt man, und wenn man nicht auf der steht, dann überlebt man nicht.

Andere Äußerungen dieses AfD-Funktionärs-Richters offenbaren seine nur wenig versteckte Intension, z.B. den lebhaften Kiez auf der Sonnenallee von allen Menschen säubern zu wollen, denen er den Ariernachweis verweigern würde.

Übernahme von Verantwortung

Die Referendare sind laut Tagesspiegelbericht zunächst mit ihren Versuchen, eine interne Klärung herbeizuführen, gegen die in der Justiz weit verbreitete Wattewand gelaufen. Sie wandten sich vergeblich an die Verwaltung mit der Bitte, diesen Ausbilder davon abzuhalten, seine menschenverachtende Einstellungen jungen Juristen mit auf ihren Weg in den Justizdienst zu geben.

Als sich beim Kammergericht nichts bewegen wollte, hat man sich an die Öffentlichkeit gewandt und den Tagesspiegel per eMail über die gefährliche Ausbildungssituation informiert.

Das Kammergericht, so heißt es in der Mail, habe sich dafür entschieden, die Referendar:innen von jemandem ausbilden zu lassen, dessen „menschenfeindliches Weltbild öffentlich bekannt“ sei. ‚Wie kann angesichts dessen davon ausgegangen werden, dass eine politisch neutrale Ausbildung gewährleistet ist? Wie sollen wir Referendar*innen und dabei insbesondere solche, die als migrantisch gelesen werden, uns in einem solchen Ausbildungsverhältnis sicher fühlen?’“ (Quelle: Tagesspiegel, s.o.)

Die auf diesem Weg hergestellte Öffentlichkeit soll nun doch intern zum Umdenken geführt haben. Angeblich soll Brousek in der nächsten Ausbildungsphase nicht weiter als Ausbilder beschäftigt werden.

Die Referendare, die sich für die Entfernung solcher Leute wie Bousek einsetzen, haben die von Max Mannheimer, der die Shoah überlebt hat, geforderte Verantwortung übernommen. Dafür sei ihnen gedankt.

Ich schließe mit Bertolt Brecht: „Dass keiner uns zu früh da triumphiert – der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

Also nicht nachlassen, lieber Nachwuchs. Haut rein!

Die Distanzklausel des Verratsanwalts

Nicht immer sind sich Mandant und Anwalt einig darüber, was in dem laufenden Verfahren vorgetragen werden soll.

Der Mandant – persönlich und emotional betroffen, juristisch unerfahren – erachtet einen Sachverhalt für prozessentscheidend; der Anwalt hingegen hält den Vortrag für entbehrlich oder gar für gefährlich in Hinblick auf die Mandanteninteressen.

  • Wie kann und soll ein solcher Konflikt (nicht) gelöst werden?

Auf Twitter berichtete ein Richter über den Lösungsversuch eines Rechtsanwalts.

Mit der Formulierung „Die Mandantschaft lässt vortragen …“ distanziert sich der Autor von dem, was er vorträgt. Er sendet an den Richter das Signal, dass er das Folgende für unerheblich hält.

Einen solchen Metatext nimmt nur ein nicht de lege artis arbeitender Richter dankend entgegen – erspart es ihm doch reichlich Zeit und Lesearbeit.

  • Was ist da eigentlich passiert?

Der Anwalt hat ein Internum aus dem Mandatsverhältnis preisgegeben. Die mandantsinterne Diskussion um die Erheblichkeit eines Sachvortrags gehört nicht in einen anwaltlichen Schriftsatz.

  • Wie muss ein Rechtsanwalt reagieren?

Wenn es einen nicht lösbaren Dissenz zwischen Rechtsanwalt und Mandant gibt, besteht die einzige richtig Konsequenz für den Anwalt darin, das Mandatsverhältnis sauber zu beenden. Die hier geschilderte Variante ist unzulässig. Sie verstößt gegen § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA und im Extremfall auch gegen § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB.

  • Wie müsste der Richter reagieren?

Zum einen darf der Richter auch diesen vom Anwalt disqualifizierten Vortrag nicht einfach ignorieren und dem Mandanten das rechtliche Gehör verweigern. Zum andern sollte er auf den Verdacht reagieren, dass der Anwalt gegen Straf- und Berufsrecht verstoßen haben könnte. Keinesfalls darf sich der Richter mit dem Rechtsanwalt gegen dessen Mandanten verbrüdern, stellte das doch auch einen Verstoß gegen richterliches „Berufsrecht“ dar und könnte dann u.U. auch strafbar sein.

  • Conclusio

Basis des Vertrauens der Rechtssuchenden in die Anwaltschaft ist anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Formulierungen, mit denen sich ein Advokat von dem, was er schreibt, distanziert, rütteln an diesem Fundament der Advokatur.

Distanzklauseln diskriminieren den Mandanten, sollen den eigenen Ruf eines angeblich kenntnisreichen Juristen simulieren und dienen in der Regel dem Erhalt des Mandats wegen der damit verbundenen Honorierung.

Sowas geht gar nicht!

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Fehleranfälliges Altpapier

Routine soll die Arbeit erleichtern. Allerdings hilft es nicht, wenn die Routine fehlerhaft oder, wie in diesem Fall, fehleranfällig ist.

In einer überschaubaren Wirtschaftsstrafsache habe ich meinen Standardtextbaustein „VertAnz“ an die Ermittlungsbehörde geschickt:

… ich zeige an, dass mich Herr Gottfried Gluffke mit seiner Verteidigung beauftragt hat, versichere anwaltlich meine ordnungsgemäße Bevollmächtigung und beantrage Akteneinsicht.

Damit kam die Sache in Gang. Die Staatsanwaltschaft war aber am Ende leider nicht davon abzuhalten, beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls zu beantragen.

Die zuständige Richterin hatte mit dem Antrag und der weiteren Verfügung erst einmal wenig Aufwand. Sie nutzte den auf Altpapier gedruckten Standardzettel, um die Zustellung des „mit/ohne Korrekturen“ erlassenen Strafbefehls bei ihrer Geschäftsstelle in Auftrag zu geben.

Weisungsgemäß erhielt Herr Gluffke den Strafbefehl mit formlos mit einfacher Post; mir als Verteidiger wurde er förmlich gegen EB (Empfangsbekenntnis) zugestellt.

Der geneigte Leser mag seinen Blick noch einmal auf meine Verteidigungsanzeige werfen: Eine „schriftliche Vollmacht“ war ihr nicht beigefügt.

Der zweite Blick gehe ins Gesetz, § 145a StPO:

Der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen.

Es gibt in der Akte keine auf mich lautende schriftliche Vollmacht. Deswegen liegt eine formell wirksame Zustellung nicht vor.

Das bedeutet, dem Gericht wird es schwerfallen, die ordnungsgemäße Zustellung des Strafbefehls nachzuweisen – sofern die Verteidigung diesen Fehler ausnutzt.

Wenn Verteidiger und Angeklagter schlicht schweigen auf die Frage, ob dem Angeklagten der Inhalt des Strafbefehls bekannt ist, fehlt es an einer essenziellen Prozessvoraussetzung.

Damit steht die Tür für ein fruchtbares Gespräch mit der Richterin einer völlig überlasteten Wirtschaftsabteilung beim Amtsgericht sperrangelweit offen:

Entweder man findet jetzt ein einvernehmliches Ende des Verfahrens. Oder der anberaumte Termin platzt – mit der Folge, dass der Strafbefehl noch einmal, diesmal dem Angeklagten, zugestellt und erneut terminiert werden muss. Anschließend müssen alle Beteiligten erneut geladen werden. (Ich habe es auch schon erlebt, dass sich das ganze Spiel dann mit der Zustellung der Ladung noch einmal wiederholte.)

Diese Art der Verteidigunganzeige ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht ist keine geheime Trickserei. Sondern dies beruht einfach auf meinem Wunsch, nicht als Zustellungsbote für das Gericht zur Verfügung stehen zu wollen. Dafür werde ich von meinem Mandanten nicht bezahlt.

Ich verstehe auch nicht, dass dieser Fehler von vielen Richter immer wieder gemacht wird. Er wäre locker vermeidbar, z.B. wenn das größte deutsche Amtsgericht mit zeitgemäßen Arbeitsmitteln ausgestattet wäre. Ein solcher Schmierzettel ist nun einmal fehleranfälliger als eine softwaregestützte Aktenführung:

Die Geschäftsstelle gibt obligatorisch per Mausklick bei der Aktenanlage ins System ein:

  • Verteidigungsanzeige mit Vollmacht [_]
  • Verteidigungsanzeige ohne Vollmacht [x]

Dann kann die Richterin nichts falsch machen, wenn sie eine Zustellung verfügt:

  • Wenn Vollmacht (+), dann Zustellung per Empfangsbekenntnis an Verteidiger.
  • Wenn Vollmacht (-), dann Zustellung per Postzustellungsurkunde an Angeklagten.

Solange aber mit vorsintflutlichen Mitteln gearbeitet werden muss, ist mit Fehler zu rechnen, die nicht zur Entlastung des Gerichts beitragen. Und die von Verteidigern zugunsten ihrer Mandanten genutzt werden (müssen).

Bild: shorpy.com

Nicht mein Richter!

Urteile und Beschlüsse sind Entscheidungen des Gerichts. Nicht die eines Richters. Er ist „nur“ der Verkünder der gerichtliche Entscheidung.

Das ist grundsätzlich auch eine gute Sache. Weg von der subjektiv-persönlichen Ebene und hin zu einer objektiv-sachlichen Distanz.

Nun gibt es aber ein paar Entscheidungen, die man vielleicht nicht dem Gericht zuordnen möchte.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es beispielsweise der Direktorin des Amtsgerichts Weimar Carolina Brauhardt oder der Richterin Inez Gloski, Mediensprecherin beim Amtsgericht Weimar, nicht gefallen dürfte, mit dem Richter in einen Topf geworfen zu werden, der als Familienrichter eine Entscheidung (Beschl. v. 08.04.2021, Az. 9 F 148/21) zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen hat, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nun überhaupt nichts mehr gemein hat.

Wenn ich lese, dass das „AG Weimar“ diese unfassbare einstweilige Anordnung erlassen hat, denke ich, dass es in diesem Fall besser für die Reputation dieses kleinen, schnuckeligen Amtsgerichts in Thüringen gewesen wäre, wenn hier der Name dieses unsäglichen Schwurblers in Robe genannt würde und nicht der des Gerichts.

Es gibt durchaus gewichtige Stimmen, insbesondere aus der Richterschaft, die – für den Kundigen gut erkennbar – darüber nachdenken, ob dieser Richter am Amtsgericht Weimar sich eines Verbrechens strafbar gemacht haben könnte.

Die mutmaßlich von der Richterin Inez Gloski verfasste Presseerklärung des Amtsgerichts Weimar vom 12.04.2021 ist (leider?) vornehm zurückhaltend:

Am 08.04.2021 hat ein Einzelrichter des Amtsgerichts Weimar als Familienrichter im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung zu den Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen erlassen.

Die 192 Seiten umfassende Entscheidung des Einzelrichters weist als Verfahrensbeteiligte zwei minderjährige Kinder, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, sowie den durch den Einzelrichter bestellten Verfahrensbeistand auf.

Der Einzelrichter ist davon ausgegangen, dass die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört und hat die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges verneint.

Als Rechtsgrundlage für die Begründetheit seiner Entscheidung hat der Einzelrichter § 1666 BGB angewandt.

Das Lüften der Klassenzimmer hat der Einzelrichter nicht untersagt.

Der Beschluss ist grundsätzlich nicht anfechtbar. Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden.

Bemerkenswert ist, dass diese Presseerklärung gleich auf der ersten Seite des Gerichts veröffentlicht wurde. Ich werte das als ein Zeichen dafür, dass das dortige Richterkollegium diese Entscheidung nicht mittragen, sondern sich damit von diesem „Kollegen“ distanzieren wollen.

Ich zitiere einen Richter (nicht aus Weimar), der sich weit weg von diesem Richter und seinesgleichen stellt:

Sie beugen das Recht ihrem Willen und sollten alle rechtsstaatlichen Konsequenzen tragen. Deswegen erstatte auch ich morgen Strafanzeigen. Das sind nicht meine Kollegen!

In dem dann einzuleitenden Strafverfahren wird nicht gegen das Amtsgericht Weimar ermittelt, sondern gegen diesen Richter in persona. Das Ende wird vermutlich nicht eine Verurteilung stehen, aber es wird das Ende der Karriere dieses Juristen sein. Und das ist auch gut so.

Bildrechte beim Thüringer Oberlandesgericht


Keine Rechtsbeugung

Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch eines Richters vom Vorwurf der Rechtsbeugung bestätigt.

Das teilte die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 26.01.2021 mit.

Das Landgericht Zweibrücken hat den Angeklagten, einen Richter am Amtsgericht, vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg.

Der Angeklagte war unter anderem für die Bearbeitung von Bewährungssachen zuständig und hatte die Erfüllung von Geld- und Arbeitsauflagen zu überwachen. Die Staatsanwaltschaft legte ihm zur Last, dabei in vier Fällen Auflagen, die die jeweiligen Verurteilten nicht erfüllt hatten, mit sachfremden schriftlichen Begründungen aufgehoben zu haben. In seinen Beschlüssen berief sich der Angeklagte allein auf einen angeblichen Personalmangel des Gerichts. Dieser lasse es nicht zu, die Erfüllung von Auflagen ordnungsgemäß zu überwachen. Diese Entscheidungen des Angeklagten wurden später durch das Beschwerdegericht aufgehoben.

Das Landgericht Zweibrücken sprach den Angeklagten mit Urteil vom 4. Oktober 2019 mit der Begründung frei, der Angeklagte habe seine Entscheidungen nicht allein auf die sachfremden schriftlichen Begründungen gestützt. Er habe vielmehr die Verfahren gezielt ausgewählt und bei seinen Entscheidungen weitere sachbezogene Überlegungen angestellt. Daher habe ein elementarer Rechtsverstoß, der eine Rechtsbeugung begründen könne, nicht vorgelegen.

Die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Landgerichts weist nach Auffassung des zuständigen 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs keinen Rechtsfehler auf. Daher hat der Bundesgerichtshof den Freispruch des Angeklagten bestätigt. Die Sache ist damit rechtskräftig abgeschlossen.

Pressemitteilung Nr. 017/2021 vom 26.01.2021 zu
BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – 4 StR 83/20

Wäre der angeklagte Richter verurteilt worden, hätte er mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechnen müssen, § 339 StGB. Dies hätte für den Richter zwangsläufig die Beendigung des Dienstverhältnisses bedeutet, § 24 DRiG.

Und genau diese außerhalb des Strafrechts liegende Rechtsfolge bestimmt die Auslegung insbesondere des subjektiven Tatbestands der Rechtsbeugung.

Grundsätzlich reicht nach der ständigen Rechtsprechung ein bedingter Vorsatz aus. Aber – und das ist der Rettungsanker – für die Handlung der Rechtsbeugung wird ein bewusst überzeugungswidrigen Regelverstoß verlangt. Also wird doch wieder die Absicht vorausgesetzt – die in den meisten Fällen nicht nachweisbar ist.

Die Rechtsprechung im Zusammenhang mit im professionellen Zusammenhang begangenen Straftaten von Strafverteidigern (z.B. bei der Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder beim Parteiverrat (§ 356 StGB)) ist weniger zuvorkommend.

Bericht über das Urteil in 1. Instanz
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