Dienstreiseplanung

Die Digitalisierung macht es möglich, mein Arbeitsplatz ist mobil.

Deswegen habe ich geplant: Im Herbst möchte ich in 2.386 Meter Höhe auf dem Maglić im Nationalpark Sutjeska in Bosnien-Herzogowina arbeiten.

Und um dem ekeligen Berliner Winter zu entfliehen sind ab Dezember der Norden Portugals und der Alentejo die Orte, an denen ich meinen Schreibtisch aufstellen möchte.

Nun stellt sich für mich die folgende Frage. Wie kann ich die Belastungen redzieren, die durch den Spritverbrauch auf Rückreise vom Balkan nach Berlin im Oktober und die anschließende Reise von dort an den portugiesischen Atlantik im Dezember für die Umwelt entstehen?

Die Route vom Sutjeska-Nationalpark über Berlin zum Naturpark Südwest-Alentejo ist etwa 4.400 km lang.

Wenn ich mir jetzt den Umweg über Berlin spare und im Oktober von Bosnien direkt nach Portugal fahre, ist der Weg 1.000 km kürzer.

Ich denke, das ist eine hervorragende Möglichkeit: Spritsparen und dabei fünf Monate in herrlichen Landschaften arbeiten können.

Eine klassische Win-Win-Situation für den mobilen Strafverteidiger. So mache ich das!

Ein Berater mit Beratungsbedarf

Vor ein paar Monaten habe ich (bzw. eine anonym twitternde Anwältin mit Hang zum Vulgären) durch einen Tweet einen veritablen Shitstorm ausgelöst, den ich in einem fröhlichen Blogbeitrag analysiert habe.

Corpus delicti war dieses hilfreiche Tool:

Ein multipel tätiger PR-Berater hat mich in diesem Zusammenhang um einen Ratschlag gebeten, wie man sich in Bezug auf die zeitgemäßen Umzüge mit Fackeln und Mistgabeln verhalten sollte.

In nur drei Punkten lässt sich das bequem zusammenfassen:

  1. Beteilige Dich an keinem Shitstorm.
  2. Wenn Du es nicht lassen kannst, verzichte zumindest darauf, dem Bestürmten Tod und Teufel zu wünschen.
  3. Kannst Du Dich auch insoweit nicht bremsen, dann ist es richtig doof, die Hetze mit Deinem Klarnamen zu twittern.

Der PR-Berater hat gleich alle drei Empfehlungen in den Sturm geblasen. Die Folge davon ist, dass sein Name auf ewig („Das Internet vergisst nichts!“) nicht nur mit dieser Hetzjagd verbunden ist, sondern auch mit dem Blogbeitrag, in dem sein Tweet zitiert wird.

Das gefällt dem allroundtalentierten Berater nicht. Er möchte aus nachvollziehbaren Gründen gerne, dass bei Google-Suchen sein Name nicht mehr mit dem Blogbeitrag in Verbindung gebracht wird. Er hat mich gebeten, ihm auch insoweit behilflich zu sein.

Sogar hier kann ich den Berater beraten. Eine kleine eMail an den Blogautor wird sehr wahrscheinlich zielführend sein. Ungefähr mit einem solchen Text:

Ich bedauere meine Beteiligung an dem Fackelumzug, bitte höflich um Entschuldigung und würde mich sehr freuen, wenn Sie meinen Namen aus dem Blogbeitrag löschen würden.

Wenn das nicht funktionieren sollte, kann man ja immer noch das grobe Besteck herausholen.

Aber auch in dieser Hinsicht kam der Rat zu spät. Statt einer höflichen und mit einer Bitte um Nachsicht verbundenen eMail bekam der Blogger diese Mitteilung:

Herr Carsten R. Hoenig,

hiermit fordere ich Sie auf, bis einschließlich 12. Juni 2024 den mich betreffenden Abschnitt aus Ihrem Blogeintrag vom 3.7.2023 zu löschen.

Diese Aufforderung schließt auch den Screenshot meines damaligen Beitrags auf X (ehemals Twitter) und den Link auf mein freelancermap-Profil ein.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalte ich mir rechtliche Schritte gegen Sie vor.

Bitte bestätigen Sie mir die entsprechende Änderung Ihres Blogeintrags schriftlich.

Vorname Nachname

Tja, das kann man so machen, aber dann isses halt … nicht gut.

Ich weiß nicht, was in dem Herrn vorgegangen ist, von dem eine bekannte KI-Software berichtet:

Er ist ein vielseitiger professioneller Drehbuchautor, PR-Berater und Autor, der in Deutschland tätig ist. Er hat sowohl in der Biologie als auch in der Psychologie akademische Grade erworben und verfügt über eine beeindruckende Karriere als Journalist, PR-Berater und Autor. Er hat sowohl Sachbücher als auch englischsprachige Bestseller-Romane veröffentlicht und sich auf kleinere und mittlere Unternehmen sowie auf Verbände und Freiberufler spezialisiert.

Bei so einem Multitalent darf ich auch davon ausgehen, dass er die „rechtlichen Schritte“ nicht nur kennt, sondern auch deren Erfolgsaussichten und das (wirtschaftliche) Prozessrisiko einzuschätzen imstande ist. Anders wie ich, der ja seit fast drei Jahrzehnten nur als Strafverteidiger und Blogautor unterwegs ist und mit diesem zivilrechtlichen Zeug nicht vertraut ist.

Wie wird es jetzt nach dem 12. Juni weitergehen?

Wer den Fortgang der Geschichte nicht verpassen möchte, kann gerne die Benachrichtigung über neue Blogbeiträge abonnieren.

Ach, ja: Wenn man wissen möchte, mit welchen Aufrufen sich der Vielseitige sonst noch an Shitstorms (z.B. gegen eine Polizeibeamtin) beteiligt, wird bei Google und in Nordbayern.de schnell fündig.

Gedankensprung

Wie entsteht eigentlich ein Blogbeitrag? Zum Beispiel so:

Beim Aufräumen finde ich diesen Umschlag, in dem mir die Staatsanwaltschaft einen Datenträger geschickt hat.

Ich hatte dafür keine Verwendung, deswegen war ich bereits auf dem Weg zum Altpapiercontainer. Unterwegs kam mir der kleingedruckte Hinweis in den Blick, in dem der Verwendungszweck der Tüte und deren Herkunft angeben ist.

Aha, also doch erst einmal fotografieren, das Ding. Aus der ersten Idee, mich einmal mehr auf Twitter über die ewig rückständige Justizverwaltung lustig zu machen, ist der Gedanke an das Bonmot vom „Tütenkleben“ gekommen.

Damit war dann aber auch der Rahmen für einen Tweet gesprengt, der Gedanke braucht den Platz, den ein Blogbeitrag liefert.

Beim Schreiben des Beitrags kam ich dann von Hölzchen auf Stöckchen, zwischendurch auf einen Artikel im Spiegel aus dem Jahr 1965, dann auf die Website einer Gefangenengewerkschaft und landete schließlich beim Angebot für eine geschmiedete Stielpfanne.

Das Ergebnis dieser Gedankenwanderung wird nun am kommenden Dienstag im Weblog der Kanzlei erscheinen.

Rasende Kurierfahrerin

Nicht alles, was schnell geht, ist auch gut. Fehler sollte besser langsam passieren.

Das Sekretariat meldete den Eingang eines fetten Pakets mit Akten der Steuerfahndung. Ich war zwar froh, dass ich endlich die Akten bekomme, aber digitalisiert wäre es optimal gewesen.

Digitalisierer

Vom heimischen Schreibtisch aus habe ich unseren bewährten Dienstleister mit der Digitalisierung beauftragt. Christoph Bisping, der Geschäftsführer UNIKOPIE Filiale Berlin, sagte mir nicht nur das Einscannen der Steuerfahndungsakten zu, sondern auch den anschließenden Rückversand der Akten an die Steuerfahnung. Perfekt, so geht Service.

Jetzt musste das Paket vom Kurfürstendamm nur noch in die Schillerstraße transport werden.

Transporter

Für solche Transporte innerhalb der Stadt nutze ich auch einen professionellen Dienstleister, seit vielen Jahren immer wieder gern die Jungs und Mädels von Messenger.

Hier reicht eine eMail, ein Anruf oder die Onlinebuchung (Fax geht wohl auch 😉 ), dann die Mitteilung der Abhol- und der Auslieferadresse und ich muss mich um nichts mehr kümmern. Rechnung per eMail, Abbuchung vom Kanzleikonto.

Keine viertel Stunde später klingelte das Telefon. Meine Assistentin teilte mir zerknirscht mit, dass die Akten gar nicht für mich seien, sondern für einen Bürogemeinschafter. Sie habe sich verguckt.

Nicht zu bremsen

Mein sofortiger Anruf bei Messenger konnte die Kurierfahrerin nicht mehr stoppen. Sie war schon in der Kanzlei und hat sich dort – statt des Pakets – einen Korb abgeholt.

Das ist auch eine Folge von flotter und professioneller Arbeit. Wenn der Auftraggeber aber nicht richtig funktioniert, dann geht es sehr schnell mal schief.

Trostpflaster

Die Kurierfahrerin hatte nun einen Weg weniger durch’s Stadtgetümmel, dafür steht dann aber auch ein Trostpflaster für sie mit auf meiner Rechnung.

Besten Dank auf diesem Weg an Unikopie, Messenger und an die rasende Kurierfahrerin.

Image by Rudy and Peter Skitterians from Pixabay

Erschreckende Telekom

Never change a running system. Ein eiserner Grundsatz, den jeder Techniker und jeder Nutzer beherzigen sollte. Das gilt ganz besonders für die Telekommunikation.

Seit langer Zeit funktioniert es reibungslos. Ich kann telefonieren und die DSL-Leitung ist – auch Dank eines umsichtigen Technikers der Telekom – absolut stabil.

Grund genug, die Finger davon zu lassen und nichts, gar nichts zu verändern. Dann kann auch nichts kaputtgehen.

Und dann kam das hier:

Um Himmels Willi, was kommt da auf mich zu?! Ich habe nichts beauftragt – eben aus den oben genannten Gründen. Was passiert da jetzt?

Ich habe erstmal die Strategie angewandt, die sich bei vielen meiner Mandanten bewährt hat (wenn ich ihnen glauben würde): Nichts tun und abwarten.

Ich habe ins Gesetz geguckt. Und auch da steht:

Artikel 2: Et kütt wie et kütt.
Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange.

Einen Tag später dann kam schon wieder Post von der Telekom. Mit zittrigen Fingern habe ich die eMail geöffnet:

Puha, nochmal Glück gehabt.

Liebe Telekomiker, schaut in das Gesetz:

Artikel 9: Wat soll dä Kwatsch? … aber gut …
Artikel 10: Drinks de ejne met?

Aufsatzschnorrer

Wenn ein erfolgreicher juristischer Verlag das Schnorren anfängt: Ist das ein Hinweis auf dessen kritische finanzielle Lage? Oder einfach nur unverschämt?

Jeder Anwalt kennt das: Mal eben eine Rechtsauskunft erteilen, selbstverständlich kostenlos. Es sind Beratungsschnorrer und Schnäppchenjäger, die Leistungen zu ergaunern versuchen, ohne bereit zu sein, eine Gegenleistung dafür zu erbringen.

Meist handelt es sich dabei um Privatpersonen. Oft ist das Verhalten aber auch aus der Not geboren. Wenn dann der Tonfall stimmt, kann man der Bitte um einen kostenlosen Rechtsrat auch entsprechen. Für solche „pro-bono-Mandate“ hat jeder Anwalt ein gewisses Kontingent.

In einer anderen Liga spielt die Anfrage, die kürzlich von einem namhaften Verlag für juristische Fachliteratur an mich herangetragen wurde.

Die Anfrage

Die leitende Redakteurin einer Zeitschrift, „die sich an Rechtsreferendaren/innen und Berufseinsteiger/innen wendet„, bat mich darum, für diese Veröffentlichung einen Aufsatz zu schreiben.

Die Zeitschrift wird an die jungen Juristen kostenlos verteilt. Es liegt auf der Hand, dass damit die nachwachsende Generation Juristen an den Verlag herangeführt werden soll. Eine gut ausgedachte Marketing-Aktion, die sicher ihren Erfolg haben wird und soll. Soweit, sogut.

Die Redakteurin kam dann auch gleich zackig zur Sache:

Der Artikel sollte einen Umfang von ca. 15.000 Zeichen mit Leerzeichen haben (also ca. 3 Seiten) und kann gerne mit Fotos aufgelockert werden. Ein kurzer Lebenslauf und ein Foto vom Autor erscheinen zum Artikel, der wenn möglich bis zum 11.02.2022 hier vorliegen sollte.

Gut, so einen Aufsatz mit den Spielereien drumrum sollte ich innerhalb von zwei bis drei Stunden auf die Festplatte getippt bekommen.

Hört sich gut an, oder? Wenn da nicht der folgende Satz gestanden hätte:

Eine Vergütung für solch einen Beitrag ist leider nicht vorgesehen.

Die Umfrage

Ich war perplex, und wusste erst nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Deswegen habe ich auf Twitter in die Runde gefragt:

Die Stellungnahme des Schwarms war eindeutig: Von 757 abgegebenen Stimmen waren 696 dafür, dem Verlag eine Absage zu erteilen. Das entsprach auch meinem Gefühl, das sich in meinem Magen breitmachte.

Der Verlag veranstaltet eine Marketing-Aktion und ich sollte für lau das Material dazu liefern, damit junge Juristen teure Zeitschriften- und Kommentarliteratur-Abonnements abschließen.

Ich habe dann überlegt, wie ich der Redakteurin (die im Nebenberuf auch Rechtsanwältin ist – oder umgekehrt?) und damit dem Verlag antworte.

Die Reaktion

Mir ist dann folgendes eingefallen:

Ich denke, es war deutlich genug, was ich davon halte, aber immer noch so zurückhaltend, dass man meine Antwort nicht auch für so unverschämt halten kann wie die Anfrage.

Bild: Byzantine and Christian Museum, Athen via Wikipedia

how to survive referendariat

Wenn das eigene Gewissen mit zwingenden Vorschriften kollidiert, steht eine erst Abwägung, dann eine Entscheidung an. Die Konsequenzen daraus spürt man manchmal Jahrzehnte später noch.

Image by PixxlTeufel from Pixabay

In einem dreiteiligen Tweet berichtete Victoria über ihre Gewissenskonflikte als Referendarin bei der Staatsanwaltschaft:

#Jurabubble Ich habe ein großes Problem mit der Staatsanwaltschaftsstation im Referendariat. Ich habe ein Problem mit dieser normalisierten Kriminalisierung von Armut. Ich muss in meiner Sitzungsvertretung dafür plädieren, dass Menschen, die aus Verzweiflung klauen, ins Gefängnis müssen, dass Menschen, die sich kein Bahnticket leisten können addiert 120 Tagessätze zahlen (und dann vielmehr eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen), dass einer Mutter ihr Kinderwagen als Tatmittel eingezogen wird, weil sie damit Windeln aus dem Supermarkt geschmuggelt hat. Was für eine Menschenverachtung wohnt dieser Behörde bitte inne? #howtosurvivereferendariat

Eine Geschichte aus dem Leben eines Strafverteidigers.

Der Thread von Victoria erinnert mich an einen Fall, in dem ich mich als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft geweigert hatte, die Anklage zu verlesen. Ich hatte vergleichbare Problem mit dem Job, den ich machen musste, um mein Ziel – die „Befähigung zum Rechtsanwalt“ – zu erreichen.

Bereits schon vor und erst Recht während des Studiums war mir dieses Strafrecht zuwider. Ich kam aber nicht drumrum, mich damit auseinander setzen zu müssen.

Irgendwann musste ich mir als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine gammelige Robe überwerfen und Anklagen verlesen, die andere Staatsanwälte geschrieben hatten. Noch schwerer gefallen sind mir die Anträge, Angeklagte zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe zu verurteilen, weil sie aus vielfältigen Gründen gegen Spielregeln verstoßen hatten, die nicht für sie gemacht waren.

Reißleine

In einem Fall habe ich die Reißleine gezogen – auch als Beamter auf Widerruf, der ich damals war, habe ich mein Gewissen (Art. 4 Abs. 1 GG) nicht auf der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft abgegeben.

In der Akte, die ich am (Nachmit-)Tag vor dem Hauptverhandlungstermin bekommen hatte, ging es um den klassischen „Dreisprung“: Widerstand (§ 113 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB) zulasten von Bundespolizisten. Und der § 29 BtMG spielte hier auch noch eine Rolle.

Angeklagt war ein mehrfach vorbestrafter, schwer drogenkranker junger Mann. 27 Jahre und ein geschätztes Gewicht von deutlich unter 60 kg, der bereits in einer anderen Sache eine Freitsstrafe verbüßte. Er musste seinen Betäubungsmittelkonsum finanzieren, Diebstahl, Einbruch, Schwarzfahrten … .

Sein Verteidiger hatte gemeinsam mit den Sozialarbeitern der JVA bereits einen Therapieplatz organisiert. Er wurde vorzeitig aus der Haft entlassen und sollte direkt aus dem Knast in eine Therapieeinrichtung gehen.

Der Absturz

Dort angekommen eröffnete man ihm, dass versehentlich der für ihn reservierte Platz anderweitig vergeben wurde. Es solle sich in vier oder sechs Wochen nochmal melden …

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Obdach- und hoffnungslos hat er sich mit dem ihm bekannten Mitteln „behandelt“ und die Freiheit dazu genutzt, seinen Frust und Durst mit Alkohol zu löschen. Irgendwann ist er im Bahnhof Zoo angekommen, hat sich dort auf eine Bank gesetzt und ist eingeschlafen.

Geweckt wurde er von drei (!) Bundespolizeibeamten, allesamt vom Kaliber „Siggi Zweimalzweimeter“, durchtrainiert, mit Armen wie anderer Leute Oberschenkel. In der ihnen eigenen Art haben sie den Angeklagten geweckt.

Mit reichlich Dope und Alk im Kopf hat das 50 kg schwere Wrack ein wenig gezappelt und dummes Zeug geschwätzt. Das ganze Theaterstück war dann in die formvollende Anklageschrift gegossen wurden, die ich vorlesen sollte.

Ich hatte zudem die Anweisung in der Akte, für diese Straftat eine unbedingte Freiheitsstrafe zu beantragen. Weil der Angeklagte ja unbelehrbar sei, las ich in dem Vermerk, sei eine Freiheitsstrafe unverzichtbar.

Widerstand gegen die Staatsanwaltschaft

Als ich erst diesen Sachverhalt, dann die Anklage und schließlich die Anweisung meiner Ausbilderin gelesen hatte, leuchteten die roten Lampen. Beamtenverhältnis und Dienstpflichten hin oder her – hier war für mich die Grenze erreicht.

Ich bin vor Aufruf der Sache zu dem RIchter gegangen und habe ihm mitgeteilt, dass ich diese Anklage nicht verlesen werde. Ich werde mich nicht daran beteiligen, diesen bedauernswerten Menschen für etwas zu sanktionieren, für das er nicht verantwortlich ist.

Das hat es wohl in Moabit noch nicht gegeben: Ein Referendar revoltiert!

Weder war meine Ausbilderin – wie immer alle Ausbilder während einer Sitzungsvertretung – erreichbar, noch der für die Anklage zuständige Dezernent. Die Verhandlung drohte zu platzen.

Der Richter versuchte es erst mit gutem Zureden („…warten Sie doch erstmal die Beweisaufnahme ab.“), dann mit Drohungen (Disziplinarmaßnahmen, Kosten des Termins …) und zuletzt noch mit der Vorhersage meiner Stationsbenotung.

Das war mir alles wurscht, ich hatte eine Gewissenentscheidung getroffen und bin dabei geblieben.

Die Lösung

Der erfahrene Verteidiger hatte die Zwischenzeit genutzt, um im Anwaltszimmer (per Münzfernsprecher!) zu telefonieren. Irgendwann kam er wieder zurück in den Saal, zerschnitt die dort knisternde Luft und verkündete eine Konfliktlösung:

Er hatte die Zusage einer (anderen) Therapieeinrichtung, den Angeklagten am selben Tag noch aufzunehmen. Ich solle die Anklage verlesen, sein Mandant werde sich den Vorwürfen nicht entgegen stellen und das Gericht schickt ihn nicht zurück in den Knast, sondern via § 35 BtMG in die Therapie.

Das war dann die Lösung meines Gewissenskonflikts. Der Junge bekam seine ihm zustehende Behandlung statt einer weiteren sinnlosen Freiheitsstrafe. Mir wurde später dann noch irgendwas Sinn- und Belangloses in meine Personalakte geschrieben. Das war’s dann.

Erfahrung

Für mich war das eine ganz entscheidende und prägende Erfahrung. Bis zu diesem Tag habe ich immer wieder den Druck gespürt und mich dem gebeugt, den dieses System im Studium beginnend, weiter und zunehmend im Referendariat aufgebaut hatte. Hier habe ich gemerkt, dass ich innerhalb dieses Systems Rechte hatte, die ich nutzen und durchsetzen konnte. Ich habe gelernt, dass es möglich ist, effektiven Widerstand zu leisten, wenn dieser aufgrund eigener Überzeugungen notwendig wird.

Ich weiß nicht, glaube es aber auch nicht, dass mir diese Aktion im Rahmen meiner Ausbildung geschadet hätte. Und wenn doch, wäre es durch das Ergebnis gerechtfertigt gewesen.

Conclusio

Liebe Victoria, liebe Auszubildende, das Leben besteht aus Kompromissen, wir müssen immer wieder irgendwelche Kröten schlucken. Es gibt aber rote Linien, die wir nicht überschreiten dürfen, wenn wir uns morgens im Spiegel noch in die Augen schauen wollen.

Image by Peter H from Pixabay

Dann überlebt man selbst die Station bei der Staatsanwaltschaft. Und wenn ich das geschafft habe, dann schafft Ihr das erst Recht. 😉

PS:

Wie ich dann doch noch zum Strafrecht gekommen bin, und warum der Beruf des Strafverteidigers der beste Job der Welt ist, erzähle ich dann später irgendwann einmal …

Entspannt

Das Arbeiten am Wochenende empfinde ich als ein Privileg meiner Selbstständigkeit. Ich muss nicht am Schreibtisch sitzen. Aber ich kann.

Die Kehrseite der Wochenendarbeit sind freie Tage unter der Woche: Wenn mir (und das Wetter) danach ist, setze ich mich auch an einem Mittwoch auf’s Fahrrad und hoppel damit durch den Wald.

Flexibilität und Unabhängigkeit sind die Essenzen meines freien Berufs. Ich bin dankbar, dass mir das gegönnt ist; es ist keine Selbstverständlichkeit.

beA – Absurdidäten

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist eine Quelle dauerhaften Ärgernisses. Ein Fortbildungsangebot der RAK Berlin offenbart dessen Absurdität.

Das beA soll dazu dienen, einen sicheren Austausch von digitalisierten Daten zu gewährleisten. Für die Herstellung dieses Versand- und Empfangsprogramms haben wir Rechtsanwälte bereits einen Millionenbetrag gezahlt.

Bekommen haben wir dafür ein Instrument, das in der Praxis nur unter Androhung empfindlicher Übel genutzt wird, § 31a Abs. 6 BRAO. Weil das Programm den normal begabten Anwender (quasi also jeden Rechtsanwalt, der kein Informatik-Studium absolviert hat) überfordert.

Für den Betrieb dieser althergebrachten (sic!) Technologie erhebt die BRAK nach eigenen Angaben einen jährlichen Beitrag von voraussichtlich 65 bis 70 Euro für jeden der ca. 164.500 Berufsträger von den regionalen Rechtsanwaltskammern. Das sind 11,5 Mio. Euro. Jedes Jahr.

Der DeutscherAnwaltVerein hat weitere Kosten ermittelt:

Damit man mit dieser Software arbeiten kann, muss sie aber erst einmal auf den Kanzleirechnern installiert werden. Selbst Anwender, die kein Problem damit haben, einen neuen Rechner mit einem komplett neuen Betriebssystem aufzusetzen und Netzwerke zu pflegen, sind mit dieser Installation überfordert. Die Kosten für die Installation durch einen IT-Dienstleister dürften fast im vierstelligen Bereich liegen.

Aber auch die alltägliche Nutzung ist ein einziges Trauerspiel. Bevor man einen selbst erstellten Schriftsatz an ein Gericht oder an die Staatsanwaltschaft übermitteln kann, muss der gemeine Anwender erst einmal eine Fortbildung absolvieren.

Dafür bietet beispielsweise die Berliner Rechtsanwaltskammer gleich drei Veranstaltungen an:

Einmal abgesehen von den Kosten für diese Bedienungsanleitungen in Höhe von 485 Euro soll der doppelt examinierte Auszubildende sich 12 Stunden lang erklären lassen, wie man PDF-Dokumente ans Gericht schickt und wie man Post vom Gericht entgegen nimmt.

Allein schon dieses Fortbildungsangebot (pdf) belegt die Absurdität dieses Projekts „beA“.

Der Vorteil allerdings besteht darin, dass man nach der Teilnahme auch zuverlässig in der Lage ist, den monatlichen Spam Newsletter der BRAK zu empfangen (mit einem Link auf die Seite, von der man sich den Newsletter dann downloaden kann).

Meine Kanzlei ist seit 1996 stets mit der aktuellen Technologie ausgestattet. Seit vielen (10 oder mehr) Jahren arbeiten wir (nahezu) mit digitalisierten Akten. In all den Jahren habe ich mich noch nie so sehr und dauerhaft über eine Softwarelösung geärgert wie über dieses millionenschwere Machwerk (das zudem dafür kritisiert wird, nicht so sicher zu sein, wie es zu erwarten gewesen wäre).

Gegen jeden Ladendieb oder Schwarzfahrer wird strafermittelt; manch einer wird auch einsperrt. Die Verantwortlichen für das beA hingegen laufen immer noch frei rum.

Postbankpost

Die Postbank möchte die Verträge mit mir ändern. Es geht um die Vereinbarung eines Verwahrgelds. Ich soll künftig Geld dafür bezahlen, dass ich der Postbank mein Geld zur Verfügung stelle.

Wenn die Postbank irgendwas zulasten ihrer Kunden „vereinbaren“ will, schickt sie ihnen neuerdings (wegen und seit BGH XI ZR 26/20) per Post Formulare zu. Diese Formulare soll der Kunde ausfüllen, unterschreiben und per Post zurückschicken.

Analoge Post wird in meiner Kanzlei digitalisiert und auch digital weiter bearbeitet. Das Ausfüllen und Unterschreiben sowie das Sichern der Formulare gegen Veränderungen war schneller erledigt, als der Ärger über diese Verwahrgeld-Unverschämtheit verraucht ist.

Die Übersendung der geschützen PDF-Dateien per eMail war auch kein Problem, ebenso wie auch der Empfang und die Lektüre der Dateien durch die Postbankter.

Die Herrschaften bestehen jedoch darauf, dass ich diese eingescannten, ausgefüllten und unterschriebenen Zettel wieder ausdrucke, in einen Papierumschlag stecke und in einen gelben Kasten einwerfe, der irgendwo da draußen dem Zugriff Kreuzberger Punks preisgegeben ist.

Auf meine Rückmeldung, dass mir das nicht möglich sei, reagiert die Postbank freundlich per eMail:

Abgesehen davon, dass es weder gesetzlich vorgeschrieben noch vertraglich vereinbart ist, sich der traditionellen Sackpost bedienen zu müssen:

Wo finde ich in der eMail den „beigefügten Freiumschlag“?