Julian Reichelt – Vom Chefredakteur zum „Hafennutten“-Journalismus

Im deutschen Medienbetrieb ist Julian Reichelt längst zur Reizfigur geworden. Nach seinem umstrittenen Abgang bei BILD versteht er sich bei „Nius“ als Gallionsfigur eines angeblich tabubrechenden, „freien Journalismus“. Doch gerade seine herausgehobene Rolle macht deutlich, wie gefährlich es ist, wenn sich gut ausgebildete Journalisten – getrieben von Eitelkeit, Ideologie und finanziellen Interessen – zum Sprachrohr eines polarisierenden Geschäftsmodells degradieren.

Reichelts Rolle bei Nius: Showman statt Aufklärer

Bei „Nius“ ist Reichelt weit mehr als nur „Chefredakteur“. Er ist Mensch und Marke zugleich, Präsentator und Meinungsmacher, die dominierende Figur auf allen Kanälen. Er entscheidet, welche Themen gespielt werden, wie zugespitzt die Debatte geführt wird und welchen Ton das Portal anschlägt. Nicht journalistische Sorgfalt, sondern Aufregung, Provokation und maximale Klickgenerierung bestimmen das Handeln – Interessen von Wahrheit und kritischer Distanz treten in den Hintergrund.

Vom Journalisten zum Clickbait-Provokateur

Ausgerechnet ein so erfahrener, gut ausgebildeter Journalist wie Reichelt verkauft seine Profession an ein Geschäftsmodell, das auf Polarisierung, emotionalisierender Zuspitzung und bewusster Grenzüberschreitung beruht. Der Begriff „Krawallportal“ greift fast zu kurz: Es geht um eine Art journalistisches Rotlichtmilieu, in dem die besten Eigenschaften des Reporterhandwerks – Distanz, Recherche, Faktenliebe – für Relevanzsimulation im Meinungsrausch geopfert werden (2).

Hierin liegt die eigentliche Verwerflichkeit: Wer sich, ausgestattet mit Bildung, Plattform und Einfluss, nicht der unabhängigen Wahrheit, sondern der eigenen Inszenierung und der Agenda eines großzügigen Mäzens verschreibt, prostituiert seine Profession im übertragenen Sinne. Die Nähe zur „Hafennutte“, die Leistung gegen schnelles Geld und Applaus tauscht, ist frappierend. Nicht umsonst kommt diese drastische Metapher immer wieder im politischen Feuilleton auf (1 / 4 / 5 / 3).

Die Konsequenzen für die Medienkultur

Der Preis für dieses Verhalten ist hoch: Sprache und Debatte verrohen, der gesellschaftliche Zusammenhalt leidet, weil journalistische Integrität für Reichweite und Marktanteil bequem geopfert wird. Reichelt nützt ein Geschäftsmodell, dessen Finanzierung er nicht trägt und das nur existiert, weil Dritte bereit sind, die Zeche für seine Provokationen dauerhaft zu übernehmen.

Fazit

Julian Reichelt steht beispielhaft für die Gefahren, die entstehen, wenn sich kluge Köpfe mit großer Reichweite an einen marktgetriebenen, von außen subventionierten Medienzirkus verkaufen: Sie liefern nicht mehr journalistische Aufklärung, sondern bedienen als „Hafennutten“ – scheinbar selbstbewusst, in Wahrheit aber fremdbestimmt – die Bedürfnisse eines polarisierenden Geschäftsmodells. Das Ergebnis: ein tiefes Misstrauen in die Seriosität der Medien und eine Entwertung des Berufsstandes, der einmal für Glaubwürdigkeit, Verantwortung und Wahrhaftigkeit stand.

Noch ein Gedanke

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an meinen Geschichtsunterricht an einem altsprachlichen Gymnasium.

In der römischen Antike soll es alte reiche Männer gegeben haben, die knackige Jungs als Muse um sich gehalten(sic!) haben, um sich (an ihnen) zu belustigen. Die Jungs sollen davon eher weniger begeistert gewesen sein; meist seien sie Sklaven der Alten Männer gewesen.

Wäre ja auch schlimm gewesen, wenn sie sich freiwillig dazu gemeldet hätten und sich dafür bezahlen lassen.

Bildquelle:
https://www.kanzlei-hoenig.de/2017/bild-reichelt-doch-kein-richtiger-brandstifter/

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