Die ärztlichen Verordnungen erfolgen seit Kurzem per eRezept. Das ist für jemanden, der regelmäßig Medikamente braucht, eine zeitgemäße und zeitsparende Möglichkeit, sich mit den Pillen zu versorgen, also grundsätzlich eine sehr sinnvolle Einrichtung.
Ein Anruf in der Arztpraxis oder eine eMail und kurze Zeit später kann man das Rezept in der Apotheke abholen: Versichertenkarte vorlegen, kurz warten bis der Apotheker seinen Kampf mit der Telematikinfrastruktur (TI) beendet hat … fertig.
Es könnte so schön sein
Nun möchte ich gern wissen, was der Arzt aufgeschrieben hat, bevor ich in die Apotheke gehe. Und manchmal möchte ich, dass mir meine Medizin zugeschickt wird, also gar nicht in der (Versand-)Apotheke vorstellig werden.
Genau dafür gibt es eine App von gematik, perfekt.
Um mich in dieser App anmelden zu können, benötige ich die Kartenzugangsnummer, die auf meiner Versichertenkarte notiert ist.
Und die dazugehörige PIN, die ich von der Krankenkasse, in meinem Fall von der Barmer, bekomme.
Also mal eben flugs die PIN besorgt, habe ich mir gedacht. Mal eben flugs.
Variante 1: Bestellung des PIN-Briefs „bequem digital“.
Das hört sich doch gut an, oder? Aber warten Sie erstmal ab.
Ok, die Karte habe ich, den Personalausweis und ein NFC-fähiges Smartphone auch. Aber weder dazugehörige PIN noch diese „Nect Wallet“-App.
Da hilft die Barmer selbstverständlich gern weiter:
Sieben(!) Minuten, na klar. Die Zeit habe ich locker. Für’s Lesen.
Danach kann man dann loslegen (dafür gibt es keine Zeitprognose):
… lese ich auf https://www.ausweisapp.bund.de/download.
Es folgt der nächste „bequeme“ Schritt:
Transport-PIN? Habe ich natürlich noch keine. Aber auch das soll überhaupt kein Problem sein.
Lesen Sie überhaupt noch noch mit? Ja? Also gut, weiter geht’s. Dauert aber noch ein bisschen.
Über den benannten „Behördenfinder“ soll ich das für mich zustände Bürgeramt ermitteln und dort – kostenlos! – eine Transport-PIN beantragen.
Nun das ist nicht weiter problematisch, ich finde die Seite https://service.berlin.de/dienstleistung/329833/ auch ohne die Hilfe der Krankenkasse in diesem Internetz.
Dort erklärt man mir den
Persönlich vor Ort im Bürgeramt. Aha. Nun folgt also etwas für Erwachsene:
Beachten Sie bitte die kleine Rakete links im Bild. Sie symbolisiert die Geschwindigkeit, mit der ich (KreuzKöllner) in Berlin Lichtenberg, Hohenschönhausen oder in Köpenick einen Termin bekommen soll … irgendwann …
Das ist also der sogenannte bequeme digitale Weg, den die Barmer mir vorschlägt, auf dem ich den PIN-Brief bestellen kann. Kannste vergessen.
Variante 2: Den PIN-Brief in der Geschäftsstelle bestellen
Warum nicht gleich so? Funktioniert doch ganz einfach:
Also muss ich mich nur in meinen anwaltstypischen V8-Big-Block-SUV setzen, einmal eine Wolke CO2 in der Stadt verteilen (oder mich auf dem Fahrrad in die Lebensgefahr auf der Sonnenallee und der Oranienstraße aussetzen) und schon ist die Sache erledigt.
Halt! Nein. So schnell geht das ja doch nicht.
Ein auf Papier ausgedruckter Brief, in einem Umschlag verpackt, frankiert und per Sackpost verschickt, der mir von einem Postboten in Turnschuhen persönlich nach Hause gebracht und in meinen Briefkasten geworfen wird. Wie die Ansichtskarten, die ich in den 60ger Jahren von der Ostsee an meine Großeltern geschickt habe.
Wenn mich irgendwann dieser PIN-Brief-Post erreichen sollte, kann ich nochmal versuchen, einen Account in der Gematik-App einzurichten.
Ich bin gespannt, welche weiteren Wunder mich dann noch in diesem digitalen Tiefdruckgebiet erwarten.
Es ist eine gute Vorgehensweise beim Beantragen des Personalausweises pauschal im Bürgeramt das gesamte Programm zu buchen – will sagen gleich mit aktivierter Online-Ausweisfunktion (eID)/aktiviertem Chip. Man bekommt dann mit separater Post eine Transport-PIN (Einmal-PIN), die man nicht verlegen sollte. Ich hätte vor Jahren nie gedacht, dass ich den Quatsch tatsächlich mal brauche und dachte, dass eID so ein totes Pferd wie ePost oder De-Mail ist – eigentlich ist es das ja auch.
Meinen Personalausweis habe ich 2019 bekommen, mit der eID. Seitdem hatte ich – bis auf den oben beschriebenen Fall – noch keinen Bedarf für eine Anwendung, obwohl ich beruflich und auch privat nahezu vollständig digital unterwegs bin. Das Ding taugt nicht, da es schlicht nicht praxistauglich ist. crh