Ein Berater mit Beratungsbedarf

Vor ein paar Monaten habe ich (bzw. eine anonym twitternde Anwältin mit Hang zum Vulgären) durch einen Tweet einen veritablen Shitstorm ausgelöst, den ich in einem fröhlichen Blogbeitrag analysiert habe.

Corpus delicti war dieses hilfreiche Tool:

Ein multipel tätiger PR-Berater hat mich in diesem Zusammenhang um einen Ratschlag gebeten, wie man sich in Bezug auf die zeitgemäßen Umzüge mit Fackeln und Mistgabeln verhalten sollte.

In nur drei Punkten lässt sich das bequem zusammenfassen:

  1. Beteilige Dich an keinem Shitstorm.
  2. Wenn Du es nicht lassen kannst, verzichte zumindest darauf, dem Bestürmten Tod und Teufel zu wünschen.
  3. Kannst Du Dich auch insoweit nicht bremsen, dann ist es richtig doof, die Hetze mit Deinem Klarnamen zu twittern.

Der PR-Berater hat gleich alle drei Empfehlungen in den Sturm geblasen. Die Folge davon ist, dass sein Name auf ewig („Das Internet vergisst nichts!“) nicht nur mit dieser Hetzjagd verbunden ist, sondern auch mit dem Blogbeitrag, in dem sein Tweet zitiert wird.

Das gefällt dem allroundtalentierten Berater nicht. Er möchte aus nachvollziehbaren Gründen gerne, dass bei Google-Suchen sein Name nicht mehr mit dem Blogbeitrag in Verbindung gebracht wird. Er hat mich gebeten, ihm auch insoweit behilflich zu sein.

Sogar hier kann ich den Berater beraten. Eine kleine eMail an den Blogautor wird sehr wahrscheinlich zielführend sein. Ungefähr mit einem solchen Text:

Ich bedauere meine Beteiligung an dem Fackelumzug, bitte höflich um Entschuldigung und würde mich sehr freuen, wenn Sie meinen Namen aus dem Blogbeitrag löschen würden.

Wenn das nicht funktionieren sollte, kann man ja immer noch das grobe Besteck herausholen.

Aber auch in dieser Hinsicht kam der Rat zu spät. Statt einer höflichen und mit einer Bitte um Nachsicht verbundenen eMail bekam der Blogger diese Mitteilung:

Herr Carsten R. Hoenig,

hiermit fordere ich Sie auf, bis einschließlich 12. Juni 2024 den mich betreffenden Abschnitt aus Ihrem Blogeintrag vom 3.7.2023 zu löschen.

Diese Aufforderung schließt auch den Screenshot meines damaligen Beitrags auf X (ehemals Twitter) und den Link auf mein freelancermap-Profil ein.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalte ich mir rechtliche Schritte gegen Sie vor.

Bitte bestätigen Sie mir die entsprechende Änderung Ihres Blogeintrags schriftlich.

Vorname Nachname

Tja, das kann man so machen, aber dann isses halt … nicht gut.

Ich weiß nicht, was in dem Herrn vorgegangen ist, von dem eine bekannte KI-Software berichtet:

Er ist ein vielseitiger professioneller Drehbuchautor, PR-Berater und Autor, der in Deutschland tätig ist. Er hat sowohl in der Biologie als auch in der Psychologie akademische Grade erworben und verfügt über eine beeindruckende Karriere als Journalist, PR-Berater und Autor. Er hat sowohl Sachbücher als auch englischsprachige Bestseller-Romane veröffentlicht und sich auf kleinere und mittlere Unternehmen sowie auf Verbände und Freiberufler spezialisiert.

Bei so einem Multitalent darf ich auch davon ausgehen, dass er die „rechtlichen Schritte“ nicht nur kennt, sondern auch deren Erfolgsaussichten und das (wirtschaftliche) Prozessrisiko einzuschätzen imstande ist. Anders wie ich, der ja seit fast drei Jahrzehnten nur als Strafverteidiger und Blogautor unterwegs ist und mit diesem zivilrechtlichen Zeug nicht vertraut ist.

Wie wird es jetzt nach dem 12. Juni weitergehen?

Wer den Fortgang der Geschichte nicht verpassen möchte, kann gerne die Benachrichtigung über neue Blogbeiträge abonnieren.

Ach, ja: Wenn man wissen möchte, mit welchen Aufrufen sich der Vielseitige sonst noch an Shitstorms (z.B. gegen eine Polizeibeamtin) beteiligt, wird bei Google und in Nordbayern.de schnell fündig.

Das tut ihm weh

Menschen sind verschieden. Und deshalb reagieren sie auch unterschiedlich auf ein Strafverfahren und auf ihre Verurteilung. Wie sieht es aus bei Donald Trump?

In den fast drei Jahrzehnten, in denen ich als Strafverteidiger vielen Straftätern sehr nahe gekommen bin, habe ich unterschiedliche Typen ausmachen können.

Beinharte Rocker

Wenn ich mir die Rocker der alten Schule aus den 80er, 90er Jahren anschaue – also zum Beispiel die Jungs von den Hells Angels, Bandidos, Bones, Gremium, Outlaws, Red Devils, Chicanos … , dann hatte ich als Strafverteidiger immer den Eindruck, dass die sich von der Strafjustiz wenig bis gar nicht beeindrucken ließen.

Sie wussten, was sie taten und was sie zu erwarten hatten, wenn sie erwischt wurden.

Samtweiche Betrüger

Anders verhalten sich Menschen, denen keine Rohheitsdelikte vorgeworfen werden, sondern Straftaten aus dem Bereich, in dem es überwiegend um Geld geht. Die Beschuldigten von Vermögensdelikten wie Betrug, Urkundenfälschung, Untreue und dergleichen waren regelmäßig schwer getroffen, wenn sie erfuhren, dass die Strafjustiz gegen sie ermittelte.

Die Verfahren stellten für sie in den meisten meiner Fälle eine große psychische Belastung dar.

Ängstliche Dienstleister

Eine weitere Gruppe, bei der ich im Laufe meiner Tätigkeit als Strafverteidiger Gemeinsamkeiten im Umgang mit dem Strafverfahren feststellen konnte, waren Beamte (insbesondere Polizisten und Staatsanwälte), Richter (!) und Rechtsanwälte.

Nicht wenige von ihnen haben professionelle Hilfe in Anspruch genommen, um die psychischen Belastungen eines Strafverfahrens zu verarbeiten.

Der Ex-Präsi

Aus der Ferne habe ich in den letzten Wochen das Strafverfahren gegen Donald Trump und seine Reaktionen darauf beobachtet. Nach außen ist er oft so großmäulig aufgetreten, wie wir ihn kennen. Narzissten wie er verstehen es gut, ihre wahren Emotionen zu verbergen.

Der Kundige merkt aber schnell, dass es unter der (dünnen) Oberfläche heftigst brodelt.

Stimmungsbilder

Am Freitagmorgen habe ich im Spiegel-Newsletter „Die Lage am Morgen“ ein Foto von Trump gefunden, das Justin Lane geschossen hat. Es zeigt einen Verurteilten, von dem ich annehme, dass er sobald er sich unbeobachtet fühlt, ganz jämmerlich in die Kissen weint.

Trump inszeniert sich vor Publikum als harter Hund. Innerlich zerreist es ihn vor Angst, weil er nicht weiß, was am Ende dieses Verfahrens mit ihm geschehen wird, auf das er keinen Einfluss hat.

Schlaflos zum Urteil

In den Wochen bis zur Verkündung des Strafmaßes am 11. Juli wird Donald Trump keine Nacht durchschlafen. Und das nicht, weil seine Blase ihn regelmäßig aus dem Bett holt. Ein Rocker ist er nicht.

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Geht’s noch, Tagesspiegel?

Den Printmedien geht’s nicht gut. Auch dem Tagesspiegel nicht. Deswegen versucht man, dem Abwärtstrend der Verkaufszahlen entgegenzusteuern. Aber auch mit den richtigen Mitteln?

Gegen Werbung mit dem Ziel, mehr Leser an die Zeitung zu binden, ist nichts einzuwenden. Grundsätzlich jedenfalls nicht. Es sei denn, man macht es auf diese Weise:

Man kann zu der Besetzung der Uni stehen, wie man will. Man muss auch die Reaktion der Universitätspräsidentin darauf nicht gut finden, aber man kann es. Die Diskussion darüber wird und kann nicht frei von Emotionen geführt werden.

Der Tagesspiegel, in Person seines politikwissenschaftlichen Chefredakteurs Lorenz Maroldt, nutzt dieses extrem aufgeheizte Klima für sich, für seine Zeitung, zu Marketingzwecken.

Werbung auf Kosten anderer

Das ist an sich schon problematisch. Doch die Abo-Werber setzen dem noch eins oben drauf.

Um den Tagesspiegel „2 Monate für nur 2 €“ und „danach für 35,99 € mtl.“ lesen zu können, soll der Tagesspiegel-Leser über den Fortbestand der beruflichen Existenz von Julia von Blumenthal abstimmen.

Gegen geschickte Werbung ist nichts einzuwenden, aber wenn man nicht auf das Niveau der Gossenblätter aus dem Hause Springer absinken will, sollte man besser darauf zu verzichten, den Pöbel mit Fackeln und Mistgabeln auszustatten. Marketing auf Kosten einer Frau mit einer beeindruckenden akademischen und administrativen Karriere ist mehr als schäbig.

Nebenbei: Ansichtssache

Ich finde die Aktion dieser sogenannten pro-palästinensischen Hamas-Supporter an einer deutschen(!) Uni für unerträglich. Und im Nachhinein (sic!) erscheint mir die Reaktion der Universitätsleitung falsch gewesen zu sein; die sofortige Räumung wäre aus meiner heutigen Sicht die angemessene Antwort auf die Besetzung gewesen. Aber darüber kann man – besonders im Nachhinein – streiten; aber nicht zu Reklamezwecken.

Dieses Thema für die Absatzsteigerung einer Tageszeitung zu missbrauchen … darauf hätten Lorenz Maroldt und seine Berater besser verzichtet.