Hartes und scharfes Geschwätz

Nach dem Anschlag von Solingen ist allenthalben der Ruf nach harter Bestrafung des Täters zu hören. Und nach einer Verschärfung des Waffengesetzes.

Die WAZ titelt:

Faeser fordert harte Strafe

Welches Strafmaß stellt sich unsere Innenministerin vor? Für Mord in drei Fällen, mehrfachen versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung?

Ein kurzer Blick ins Gesetz hätte genügt, um diese Forderung als überflüssigen Unsinn zu disqualifizieren. § 211 StGB sieht eine lebenslange Freiheitsstrafe vor, und zwar quasi automatisch, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Dass ein Gericht dies feststellt, ist zu erwarten. Ebenso ist mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld zu rechnen, so dass eine Strafaussetzung zur Bewährung nach 15 Jahren nicht zu erwarten ist.

Welche „harte Strafe“ stellt sich die Juristin Faeser vor? Ist ihre Forderung eine populistische Anbiederung an diejenigen, die den Artikel 102 des Grundgesetzes abschaffen wollen?

Auch der Bundeskanzler bläst laut FAZ in dieses demagogische Horn:

Nach dem Messerangriff in Solingen mit drei Toten hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für ein schärferes Waffenrecht ausgesprochen.

Soweit bekannt ist, hatte das Messer, mit dem der Anschlag verübt wurde, eine Klingenlänge von 15 cm.

§ 42a WaffG verbietet das Führen von Messern mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm. Auch Olaf Scholz ist gelernter Jurist und weiß genau, welche Wirkung eine Verschärfung des Waffenrechts in diesem konkreten Fall gehabt hätte: Keine!

Ich verstehe und begrüße es, wenn sich unsere Regierenden zu dem Anschlag in angemessener Weise positionieren und öffentlich äußern; das gehört zu ihren Aufgaben. Unangemessenes populistisches Geschwätz sollten sie sich und uns ersparen.

Integration statt Deportation

Nach dem Anschlag in Solingen gibt es viele Vorschläge von Menschen, die eine einfache Lösung des Problems anbieten:

Schnellschüsse

  • Ein Sauerländer will mit einem sofortigen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen für sichere Schützenfeste in Arnsberg sorgen.
  • Ein Thüringer plant die Deportation von jedem, der nicht aus der Eichsfelder Inzucht stammt.
  • In Bad Soden sollen in einem ersten Durchgang alle Messer verboten werden und ein Lübecker verdammt das alles.

Und überall liegen leere Hülsen herum. Worthülsen, die die Hilflosigkeit derer dokumentieren, denen nichts anderes einfällt, als dummes und – im Falle des Sauerländers und des Thüringers – gefährliches Zeug zu schwätzen.

Weder dem Sauerländer Würstchen noch dem Nazi aus Bornhagen wird es gelingen, mit ihren wahnsinnigen (im Sinne von § 20 StGB) Gedanken unsere Verfassung aus den Angeln zu heben und Grundrecht zu neutralisieren (um mal einen militärischen Begriff zu gebrauchen). Jedenfalls noch nicht.

Abwege

Solche Taten wie in Solingen kann man nicht verhindern, indem man Mauern hochzieht, Menschen in Konzentrationslager steckt und Deportationen durchsetzt.

Aber vielleicht denkt mal jemand darüber nach, dass es zur Strategie der Islamisten, die hinter dieser Tat stehen, gehört, unsere Gesellschaft auf diese Weise zu torpedieren. Die Ähnlichkeit der Ziele zwischen der Hamas, die ihre Raketenbasen in Schulen und Kinderkrankenhäusern unterhält, und dem IS, der verirrte Seelen zu Mördern macht, ist offensichtlich.

Zielführende Alternativen

Heute Morgen las ich in einem Skeet eine gute Idee:

Statt die jungen und leistungsfähigen Männer in Heime zu sperren und sie dort zum Nichtstun und Fingernägelkauen zu zwingen, könnte man sie in Vereinen, bei der Feuerwehr, im Rettungsdienst, in der Grünflächenpflege und überall dort einsetzen, wo gerade dringender Bedarf besteht.

Die unmittelbare Folge einer solchen Strategie ist die direkte Integration der Menschen in unsere Gesellschaft – aus dem anonymen „Flüchtling“ wird dann schnell der freundliche Mustafa, der die Möglichkeit hat, sich für die Unterstützung zu revanchieren, indem er im Sportverein oder bei einer Hilfsorganisation aktiv mitarbeitet.

Und ganz nebenbei (?) wird es gelingen, den Rattenfängern aus Thüringen und dem Sauerland ebenso das Wasser abzugraben wie den islamistischen Headhuntern.

Dienstreiseplanung

Die Digitalisierung macht es möglich, mein Arbeitsplatz ist mobil.

Deswegen habe ich geplant: Im Herbst möchte ich in 2.386 Meter Höhe auf dem Maglić im Nationalpark Sutjeska in Bosnien-Herzogowina arbeiten.

Und um dem ekeligen Berliner Winter zu entfliehen sind ab Dezember der Norden Portugals und der Alentejo die Orte, an denen ich meinen Schreibtisch aufstellen möchte.

Nun stellt sich für mich die folgende Frage. Wie kann ich die Belastungen redzieren, die durch den Spritverbrauch auf Rückreise vom Balkan nach Berlin im Oktober und die anschließende Reise von dort an den portugiesischen Atlantik im Dezember für die Umwelt entstehen?

Die Route vom Sutjeska-Nationalpark über Berlin zum Naturpark Südwest-Alentejo ist etwa 4.400 km lang.

Wenn ich mir jetzt den Umweg über Berlin spare und im Oktober von Bosnien direkt nach Portugal fahre, ist der Weg 1.000 km kürzer.

Ich denke, das ist eine hervorragende Möglichkeit: Spritsparen und dabei fünf Monate in herrlichen Landschaften arbeiten können.

Eine klassische Win-Win-Situation für den mobilen Strafverteidiger. So mache ich das!

Die Barmer und das E-Rezept

Die ärztlichen Verordnungen erfolgen seit Kurzem per eRezept. Das ist für jemanden, der regelmäßig Medikamente braucht, eine zeitgemäße und zeitsparende Möglichkeit, sich mit den Pillen zu versorgen, also grundsätzlich eine sehr sinnvolle Einrichtung.

Ein Anruf in der Arztpraxis oder eine eMail und kurze Zeit später kann man das Rezept in der Apotheke abholen: Versichertenkarte vorlegen, kurz warten bis der Apotheker seinen Kampf mit der Telematikinfrastruktur (TI) beendet hat … fertig.

Es könnte so schön sein

Nun möchte ich gern wissen, was der Arzt aufgeschrieben hat, bevor ich in die Apotheke gehe. Und manchmal möchte ich, dass mir meine Medizin zugeschickt wird, also gar nicht in der (Versand-)Apotheke vorstellig werden.

Genau dafür gibt es eine App von gematik, perfekt.

Um mich in dieser App anmelden zu können, benötige ich die Kartenzugangsnummer, die auf meiner Versichertenkarte notiert ist.

Und die dazugehörige PIN, die ich von der Krankenkasse, in meinem Fall von der Barmer, bekomme.

Also mal eben flugs die PIN besorgt, habe ich mir gedacht. Mal eben flugs.

Variante 1: Bestellung des PIN-Briefs „bequem digital“.

Das hört sich doch gut an, oder? Aber warten Sie erstmal ab.

Ok, die Karte habe ich, den Personalausweis und ein NFC-fähiges Smartphone auch. Aber weder dazugehörige PIN noch diese „Nect Wallet“-App.

Da hilft die Barmer selbstverständlich gern weiter:

Sieben(!) Minuten, na klar. Die Zeit habe ich locker. Für’s Lesen.

Danach kann man dann loslegen (dafür gibt es keine Zeitprognose):

… lese ich auf https://www.ausweisapp.bund.de/download.

Es folgt der nächste „bequeme“ Schritt:

Transport-PIN? Habe ich natürlich noch keine. Aber auch das soll überhaupt kein Problem sein.

Lesen Sie überhaupt noch noch mit? Ja? Also gut, weiter geht’s. Dauert aber noch ein bisschen.

Über den benannten „Behördenfinder“ soll ich das für mich zustände Bürgeramt ermitteln und dort – kostenlos! – eine Transport-PIN beantragen.

Nun das ist nicht weiter problematisch, ich finde die Seite https://service.berlin.de/dienstleistung/329833/ auch ohne die Hilfe der Krankenkasse in diesem Internetz.

Dort erklärt man mir den

Persönlich vor Ort im Bürgeramt. Aha. Nun folgt also etwas für Erwachsene:

Beachten Sie bitte die kleine Rakete links im Bild. Sie symbolisiert die Geschwindigkeit, mit der ich (KreuzKöllner) in Berlin Lichtenberg, Hohenschönhausen oder in Köpenick einen Termin bekommen soll … irgendwann …

Das ist also der sogenannte bequeme digitale Weg, den die Barmer mir vorschlägt, auf dem ich den PIN-Brief bestellen kann. Kannste vergessen.

Variante 2: Den PIN-Brief in der Geschäftsstelle bestellen

Warum nicht gleich so? Funktioniert doch ganz einfach:

Also muss ich mich nur in meinen anwaltstypischen V8-Big-Block-SUV setzen, einmal eine Wolke CO2 in der Stadt verteilen (oder mich auf dem Fahrrad in die Lebensgefahr auf der Sonnenallee und der Oranienstraße aussetzen) und schon ist die Sache erledigt.

Halt! Nein. So schnell geht das ja doch nicht.

Ein auf Papier ausgedruckter Brief, in einem Umschlag verpackt, frankiert und per Sackpost verschickt, der mir von einem Postboten in Turnschuhen persönlich nach Hause gebracht und in meinen Briefkasten geworfen wird. Wie die Ansichtskarten, die ich in den 60ger Jahren von der Ostsee an meine Großeltern geschickt habe.

Wenn mich irgendwann dieser PIN-Brief-Post erreichen sollte, kann ich nochmal versuchen, einen Account in der Gematik-App einzurichten.

Ich bin gespannt, welche weiteren Wunder mich dann noch in diesem digitalen Tiefdruckgebiet erwarten.

Ein Berater mit Beratungsbedarf

Vor ein paar Monaten habe ich (bzw. eine anonym twitternde Anwältin mit Hang zum Vulgären) durch einen Tweet einen veritablen Shitstorm ausgelöst, den ich in einem fröhlichen Blogbeitrag analysiert habe.

Corpus delicti war dieses hilfreiche Tool:

Ein multipel tätiger PR-Berater hat mich in diesem Zusammenhang um einen Ratschlag gebeten, wie man sich in Bezug auf die zeitgemäßen Umzüge mit Fackeln und Mistgabeln verhalten sollte.

In nur drei Punkten lässt sich das bequem zusammenfassen:

  1. Beteilige Dich an keinem Shitstorm.
  2. Wenn Du es nicht lassen kannst, verzichte zumindest darauf, dem Bestürmten Tod und Teufel zu wünschen.
  3. Kannst Du Dich auch insoweit nicht bremsen, dann ist es richtig doof, die Hetze mit Deinem Klarnamen zu twittern.

Der PR-Berater hat gleich alle drei Empfehlungen in den Sturm geblasen. Die Folge davon ist, dass sein Name auf ewig („Das Internet vergisst nichts!“) nicht nur mit dieser Hetzjagd verbunden ist, sondern auch mit dem Blogbeitrag, in dem sein Tweet zitiert wird.

Das gefällt dem allroundtalentierten Berater nicht. Er möchte aus nachvollziehbaren Gründen gerne, dass bei Google-Suchen sein Name nicht mehr mit dem Blogbeitrag in Verbindung gebracht wird. Er hat mich gebeten, ihm auch insoweit behilflich zu sein.

Sogar hier kann ich den Berater beraten. Eine kleine eMail an den Blogautor wird sehr wahrscheinlich zielführend sein. Ungefähr mit einem solchen Text:

Ich bedauere meine Beteiligung an dem Fackelumzug, bitte höflich um Entschuldigung und würde mich sehr freuen, wenn Sie meinen Namen aus dem Blogbeitrag löschen würden.

Wenn das nicht funktionieren sollte, kann man ja immer noch das grobe Besteck herausholen.

Aber auch in dieser Hinsicht kam der Rat zu spät. Statt einer höflichen und mit einer Bitte um Nachsicht verbundenen eMail bekam der Blogger diese Mitteilung:

Herr Carsten R. Hoenig,

hiermit fordere ich Sie auf, bis einschließlich 12. Juni 2024 den mich betreffenden Abschnitt aus Ihrem Blogeintrag vom 3.7.2023 zu löschen.

Diese Aufforderung schließt auch den Screenshot meines damaligen Beitrags auf X (ehemals Twitter) und den Link auf mein freelancermap-Profil ein.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalte ich mir rechtliche Schritte gegen Sie vor.

Bitte bestätigen Sie mir die entsprechende Änderung Ihres Blogeintrags schriftlich.

Vorname Nachname

Tja, das kann man so machen, aber dann isses halt … nicht gut.

Ich weiß nicht, was in dem Herrn vorgegangen ist, von dem eine bekannte KI-Software berichtet:

Er ist ein vielseitiger professioneller Drehbuchautor, PR-Berater und Autor, der in Deutschland tätig ist. Er hat sowohl in der Biologie als auch in der Psychologie akademische Grade erworben und verfügt über eine beeindruckende Karriere als Journalist, PR-Berater und Autor. Er hat sowohl Sachbücher als auch englischsprachige Bestseller-Romane veröffentlicht und sich auf kleinere und mittlere Unternehmen sowie auf Verbände und Freiberufler spezialisiert.

Bei so einem Multitalent darf ich auch davon ausgehen, dass er die „rechtlichen Schritte“ nicht nur kennt, sondern auch deren Erfolgsaussichten und das (wirtschaftliche) Prozessrisiko einzuschätzen imstande ist. Anders wie ich, der ja seit fast drei Jahrzehnten nur als Strafverteidiger und Blogautor unterwegs ist und mit diesem zivilrechtlichen Zeug nicht vertraut ist.

Wie wird es jetzt nach dem 12. Juni weitergehen?

Wer den Fortgang der Geschichte nicht verpassen möchte, kann gerne die Benachrichtigung über neue Blogbeiträge abonnieren.

Ach, ja: Wenn man wissen möchte, mit welchen Aufrufen sich der Vielseitige sonst noch an Shitstorms (z.B. gegen eine Polizeibeamtin) beteiligt, wird bei Google und in Nordbayern.de schnell fündig.

Das tut ihm weh

Menschen sind verschieden. Und deshalb reagieren sie auch unterschiedlich auf ein Strafverfahren und auf ihre Verurteilung. Wie sieht es aus bei Donald Trump?

In den fast drei Jahrzehnten, in denen ich als Strafverteidiger vielen Straftätern sehr nahe gekommen bin, habe ich unterschiedliche Typen ausmachen können.

Beinharte Rocker

Wenn ich mir die Rocker der alten Schule aus den 80er, 90er Jahren anschaue – also zum Beispiel die Jungs von den Hells Angels, Bandidos, Bones, Gremium, Outlaws, Red Devils, Chicanos … , dann hatte ich als Strafverteidiger immer den Eindruck, dass die sich von der Strafjustiz wenig bis gar nicht beeindrucken ließen.

Sie wussten, was sie taten und was sie zu erwarten hatten, wenn sie erwischt wurden.

Samtweiche Betrüger

Anders verhalten sich Menschen, denen keine Rohheitsdelikte vorgeworfen werden, sondern Straftaten aus dem Bereich, in dem es überwiegend um Geld geht. Die Beschuldigten von Vermögensdelikten wie Betrug, Urkundenfälschung, Untreue und dergleichen waren regelmäßig schwer getroffen, wenn sie erfuhren, dass die Strafjustiz gegen sie ermittelte.

Die Verfahren stellten für sie in den meisten meiner Fälle eine große psychische Belastung dar.

Ängstliche Dienstleister

Eine weitere Gruppe, bei der ich im Laufe meiner Tätigkeit als Strafverteidiger Gemeinsamkeiten im Umgang mit dem Strafverfahren feststellen konnte, waren Beamte (insbesondere Polizisten und Staatsanwälte), Richter (!) und Rechtsanwälte.

Nicht wenige von ihnen haben professionelle Hilfe in Anspruch genommen, um die psychischen Belastungen eines Strafverfahrens zu verarbeiten.

Der Ex-Präsi

Aus der Ferne habe ich in den letzten Wochen das Strafverfahren gegen Donald Trump und seine Reaktionen darauf beobachtet. Nach außen ist er oft so großmäulig aufgetreten, wie wir ihn kennen. Narzissten wie er verstehen es gut, ihre wahren Emotionen zu verbergen.

Der Kundige merkt aber schnell, dass es unter der (dünnen) Oberfläche heftigst brodelt.

Stimmungsbilder

Am Freitagmorgen habe ich im Spiegel-Newsletter „Die Lage am Morgen“ ein Foto von Trump gefunden, das Justin Lane geschossen hat. Es zeigt einen Verurteilten, von dem ich annehme, dass er sobald er sich unbeobachtet fühlt, ganz jämmerlich in die Kissen weint.

Trump inszeniert sich vor Publikum als harter Hund. Innerlich zerreist es ihn vor Angst, weil er nicht weiß, was am Ende dieses Verfahrens mit ihm geschehen wird, auf das er keinen Einfluss hat.

Schlaflos zum Urteil

In den Wochen bis zur Verkündung des Strafmaßes am 11. Juli wird Donald Trump keine Nacht durchschlafen. Und das nicht, weil seine Blase ihn regelmäßig aus dem Bett holt. Ein Rocker ist er nicht.

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Geht’s noch, Tagesspiegel?

Den Printmedien geht’s nicht gut. Auch dem Tagesspiegel nicht. Deswegen versucht man, dem Abwärtstrend der Verkaufszahlen entgegenzusteuern. Aber auch mit den richtigen Mitteln?

Gegen Werbung mit dem Ziel, mehr Leser an die Zeitung zu binden, ist nichts einzuwenden. Grundsätzlich jedenfalls nicht. Es sei denn, man macht es auf diese Weise:

Man kann zu der Besetzung der Uni stehen, wie man will. Man muss auch die Reaktion der Universitätspräsidentin darauf nicht gut finden, aber man kann es. Die Diskussion darüber wird und kann nicht frei von Emotionen geführt werden.

Der Tagesspiegel, in Person seines politikwissenschaftlichen Chefredakteurs Lorenz Maroldt, nutzt dieses extrem aufgeheizte Klima für sich, für seine Zeitung, zu Marketingzwecken.

Werbung auf Kosten anderer

Das ist an sich schon problematisch. Doch die Abo-Werber setzen dem noch eins oben drauf.

Um den Tagesspiegel „2 Monate für nur 2 €“ und „danach für 35,99 € mtl.“ lesen zu können, soll der Tagesspiegel-Leser über den Fortbestand der beruflichen Existenz von Julia von Blumenthal abstimmen.

Gegen geschickte Werbung ist nichts einzuwenden, aber wenn man nicht auf das Niveau der Gossenblätter aus dem Hause Springer absinken will, sollte man besser darauf zu verzichten, den Pöbel mit Fackeln und Mistgabeln auszustatten. Marketing auf Kosten einer Frau mit einer beeindruckenden akademischen und administrativen Karriere ist mehr als schäbig.

Nebenbei: Ansichtssache

Ich finde die Aktion dieser sogenannten pro-palästinensischen Hamas-Supporter an einer deutschen(!) Uni für unerträglich. Und im Nachhinein (sic!) erscheint mir die Reaktion der Universitätsleitung falsch gewesen zu sein; die sofortige Räumung wäre aus meiner heutigen Sicht die angemessene Antwort auf die Besetzung gewesen. Aber darüber kann man – besonders im Nachhinein – streiten; aber nicht zu Reklamezwecken.

Dieses Thema für die Absatzsteigerung einer Tageszeitung zu missbrauchen … darauf hätten Lorenz Maroldt und seine Berater besser verzichtet.

In der Strafsache gegen Bernd Höcke

Wieder einmal steht Bernd Höcke im Mittelpunkt eines Strafverfahrens. Gegen den Chef der blaubraunen AfD werden erneut schwere Vorwürfe erhoben. Sie gehen zurück auf die wiederholte Verwendung der Parole „Alles für Deutschland“, der zentralen Losung der SA, der Sturmabteilung, einer paramilitärischen Schlägertruppe der NSDAP.

Der erste Teil dieses Spruches, ausgesprochen von ihm während einer Rede, führte bereits zu einer (noch nicht rechtskräftigen) Geldstrafe. Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Halle an der Saale verurteilte den AfD-Funktionär wegen des öffentlichen Verwendens einer verbotenen Naziparole zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen.

Für den nun anstehenden zweiten Prozess hat das Landgericht Halle Verhandlungstermine für den 24. und 26. Juni angesetzt.

Es geht um denselben Vorwurf. Allein wegen der Wiederholung der auch von Hitler und Goebbels verwendeten Formulierung kann und wird die Strafe voraussichtlich höher ausfallen. Angesichts seiner (zu erwartenden) einschlägigen Vorstrafe besteht die berechtigte Hoffnung, dass es diesmal nicht bei einer Geldstrafe bleibt.

Viele Beobachter und Kritiker der AfD würden eine solche Entwicklung begrüßen, zumal Höcke mit seinen Zitaten immer wieder versucht, die Grenzen des Sagbaren in Richtung Kloake zu verschieben.

Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung wäre ein Mittel, dies zumindest bis zum Ablauf der Bewährungszeit zu verhindern.

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Langeweile bei der RAK

Die Leute bei unserer berufsständische Körperschaft öffentlichen Rechts, also bei der Rechtsanwaltskammer Berlin, haben Langeweile. Und sie vertreten die Ansicht, dass auch die Mitglieder dieser Organisation nichts Besseres zu tun haben, als sich um die Verwaltung ihrer Mitgliedschaft zu kümmern. Deswegen hauen sie einfach mal per beA einen unangespassten Textbaustein raus.

Damit können sie sicherstellen, dass sich daraufhin tausende Kollegen durch ihre Unterlagen wühlen. Denn die Kollegen prüfen dann, ob sie nachweisen können, den Fortbildungsnachweis für das Jahr 2023 an die gelangweilten Leute der Rechtsanwaltskammer Berlin geschickt zu haben.

Um den Leuten bei dieser RAK dabei zu helfen, ihre Langeweile zu vertreiben, habe ich ihnen meine Fortbildungsnachweise noch einmal – diesmal gegen Empfangsbekenntnis – zugesandt.

Vielleicht erbarmen sich noch weitere Kollegen und schicken ihre Fortbildungsnachweise zu Unterhaltungszwecken auch noch einmal an die Kammer.

Ich hatte tatsächlich heute noch etwas freie Zeit und das Wetter war auch nicht zum Spazierengehen geeignet. Deswegen habe ich dann auch noch diesen kleinen Blogbeitrag geschrieben.

Mindestlohn für Strafverteidiger

Die Vergütung eines Strafverteidigers ist nicht selten Anlass für eine Neiddebatte, gern geführt von anderen Strafjuristen, die ihr Gehalt monatlich im Voraus überwiesen bekommen. Hier nun mal ein paar Zahlen aus der Praxis.

Ein Kollege hat mich gebeten, ihn in einem umfangreichen Fall zu vertreten, weil er mal wieder lieber in der Sonne sitzt, als in einem hermetisch abgeriegelten Gerichtssaal.

Es ging nur um einen Hauptverhandlungstermin, in dem ein Sachverständigengutachten zum Betäubungsmittelkonsum des Mitangeklagten erstattet wurde. Ich hatte also nur die Aufgabe, ein bisschen aufzupassen, mehr nicht. Keine große Vorbereitung und nur ein kurzer Terminsbericht.

Dennoch: Der zeitliche Aufwand war nicht ohne. Lässt man die Fahrten von der Kanzlei ins Gericht und zurück – jeweils 30 Minuten, sieht die Rechnung so aus:

  • 15 Min. Instruktion durch den Verteidiger
  • 10 Min. Besprechung mit dem Mandanten
  • 180 Min. Verhandlung vor der Mittagspause
  • 90 Min. Verhandlung nach der Mittagspause
  • 20 Min. Bericht an den Verteidiger
  • 10 Min. Abrechnung mit der Justiz

In Summe: 325 Minuten. Die Mittagspause in der Kantine wird wie die Fahrtzeiten auch nicht berücksichtigt.

Und so sieht dann der Kostenfestsetzungsantrag aus:

Das sind rund 1,15 € pro Minute. Umsatz! Davon zahlt der Rechtsanwalt jetzt noch die Miete für die Kanzlei, das Gehalt für die Mitarbeiterinnen und alle weiteren Betriebskosten … das Parkticket und den Sprit für die 20 km An- und Abreise zum bzw. vom Gericht. Von dem Rest finanziert er seine Krankenversicherung und die Altersversorgung.

Das gleiche Salär darf man erwarten, wenn man statt der 15 Minuten Vorbereitung etwa 90 Minuten braucht und der Terminsbericht nicht in 20 Minuten runtergeschrieben ist. Entscheidend für die Berechnung ist allein die Zeit, in der der Verteidiger im Gerichtstermin sitzt.

Wenn man sich – nach 7 Jahren Ausbildung und 26 Berufsjahren – von der Staatskasse alimentieren lassen muss, darf man eben nicht mehr erwarten.

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